Sport als Avantgarde der Globalisierung

Haben Sie sich schon mal gefragt, warum Fußball in Europa für volle Stadien und klingelnde Kassen sorgt, in den USA jedoch ein Schattendasein führt? Warum viele Amerikaner begeisterte Baseball-, Basketball- und (American) Football-Fans sind, die meisten Europäer davon aber nur Bahnhof verstehen? Dann sollten Sie unbedingt dieses Buch lesen.

Die an der Uni Michigan lehrenden Politikwissenschaftler (und begeisterten Sportfans) Andrei S. Markovits und Lars Rensmann erklären die Differenzen mit jeweils unterschiedlich ausgeprägten „hegemonialen Sportkulturen“, die seit dem 19. Jahrhundert entstanden sind. Beide haben ihre Besonderheiten: In den USA sind die dominanten Sportarten aus dem College-Sport hervorgegangen, der bis heute mehr Zuschauer als der Profi-Sport anzieht und einen stark egalitären Charakter hat. In Deutschland dagegen ist der Fußball national geprägt. Von „multikulturellen“ Mannschaften wie dem FC Barcelona oder Manchester United trennen ihn Welten.

Letztere begreifen Markovits und Rensmann als „soziokulturelle Avantgarde“ der Globalisierung: Hoch professionalisiert, mit Spielern aus der ganzen Welt und globalem Marketing. Das ruft Ängste und Abwehrreaktionen hervor, verändert den Sport aber in vielerlei Hinsicht zum Positiven: Nationalismus und Rassismus, in europäischen Stadien früher an der Tagesordnung, wird buchstäblich der Boden entzogen. Längst sind die hegemonialen Sportkulturen auch keine reine Männerdomäne mehr.

Das zeigt sich auch in Amerika: Zwar gilt „Soccer“, wie der Fußball hier genannt wird, immer noch als „Frauensport“. Doch die zunehmende Zahl von Immigranten (und Fußball-Fans) aus Lateinamerika und nicht zuletzt der Wechsel von David Beckham nach Los Angeles haben den Fußball in den USA schon viel populärer gemacht. Ähnliche Auswirkungen hatte der Erfolg des deutschen NBA-Stars Dirk Nowitzki auf den Basketball in Deutschland.

Die Welt ist in Bewegung und der Sport ist dabei ein treibendes Element. Markovits und Rensmann schreiben darüber spannend und mit viel Verve. Zahlreiche „Aha-Effekte“ sind garantiert.

Andrei S. Markovits / Lars Rensmann: Querpass. Sport und Politik in Europa und den USA, Verlag Die Werkstatt, EUR 18,90

Artikel-URL: http://www.berlinerliteraturkritik.de/index.cfm?id=1879

Erschienen in: Die Berliner Literaturkritik, 18.7.2008