Choco-Blops und Albrecht-Kaffee

Einkaufen mit studentisch-magerem Geldbeutel, da heißt es manchmal tapfer sein. Und wo ist es am günstigsten, bei Aldi, Penny oder Lidl? Tobias Jaecker hat sich auf die Teststrecke begeben

Neu in der Stadt? Gerade mit dem Studium begonnen? Zielloses Umherirren. Ob Bibliothek oder Lieblingskneipe: Eine Weile dauert es schon, bis sich der Alltagstrott einstellt. Wo zum Beispiel einkaufen, dazu noch billig? Ab ins Internet. Auf der Homepage „Penny-Markt interactive“ heißt es: „Unsere Suchmaschine findet in Sekunden den Penny-Markt, der Ihnen am nächsten liegt.“ Na prima. Nach dem Aufstehen erst mal zu „Penny“ um die Ecke, zum Test. Als ideales Frühstück erweisen sich die „Choco-Blops“. Herausragend auch die Mozzarella- Pizza. Jeden Tag Mensa-Essen – das muß schließlich nicht sein.

Mein Mitbewohner schwört da auf was anderes. „TIP-Produkte sind das Wahre!“ ruft er strahlend. „Nudeln, Käse, Saft, einfach alles. Und alles ist von Markenherstellern. Nur anders verpackt!“ Einer meiner Kommilitionen ist dagegen Aldi-Fan. „Das hat schon Kultcharakter“, behauptet er. „Du bekommst deine Zweiwochenration für nicht mal 50 Mark.“ Besonderes Highlight: der Rioja. „Der beste Wein, den ich kenne!“ Ein Gang durch die örtliche Aldi-Filiale ist wohl Pflicht. Dosensuppe Marke „Pottkieker“, Blauschimmelkäse und Salami „pur porc“ wandern in den überdimensionierten Einkaufswagen: lecker und billig. Und vom „Albrecht-Kaffee“ schwärmte schon mein Vater.

„Du hier?“ Vor mir steht eine Frau, die ich schon mal gesehen haben muß. Richtig, die Einführungsvorlesung. Sie ist Aldi-Fan, wie sie erzählt. „Früher habe ich immer im Supermarkt gekauft“, sagt sie. „Da mußte ich doppelt soviel löhnen. Dieses Geld bleibt mir jetzt für andere Dinge. Bücher, Zigaretten und so.“ Einen Tip gibt mir die Kommilitonin noch, bevor sie sich ihre Cracker schnappt und durch den tristen Gang entschwindet. „Noch besser ist Lidl“, sagt sie. „Da gibt’s die gleichen niedrigen Preise, aber mehr Auswahl!“

Und Sonderangebote. Zum Beispiel das „Kinder-Werkzeug- Set“ für 11,98 Mark, „mit Antrieb und Geräuschen“. Vielleicht ein Geburtstagsgeschenk für meinen kleinen Bruder. Die Dosensuppe heißt hier „Chef-Koch“, und der Rahmspinat ist von „Green-Grocer’s“, aber sonst sieht es eigentlich aus wie bei der Konkurrenz. Das geradezu minimalistisch erscheinende Ambiente lenkt den Blick zur Ware. „Salz -,59 DM“ steht auf dem Schild. Konzentration auf das Wesentliche. Hier wird das Bewußtsein noch nicht vom Design bestimmt! Nur der Zeitpunkt des Discounter-Bummels ist falsch gewählt. In den frühen Abendstunden scheint ein Kampf um die verbliebenen Produkte ausgebrochen. Dabei hatte mich meine Nachbarin schon gewarnt: „Um diese Zeit hierher zu gehen grenzt an Überlebenstraining!“ In welch privilegierter Lage ist man da als Student. Shoppen vor der Uni, welch‘ Erholung!

Meine Aldi-Bekanntschaft habe ich neulich wiedergesehen. In der Vorlesung, einige Reihen entfernt, erblickte ich sie. In der Hand eine Tüte Pistazien, knabberte sie unauffällig. „99 Pfennig“, schoß es mir durch den Kopf. Sie lächelte nur verschwörerisch.

Erschienen in: taz, 3.4.1998