Troll-Alarm: Was tun gegen den Hass im Netz?

Sie sprengen Diskussionen in den sozialen Netzwerken, in Foren oder den Kommentarspalten: Pöbelnde Nervensägen und Wutbürger, auch Trolle genannt. Dabei verbreiten sie oft puren Hass. Das Trollen und was man dagegen tun kann ist ein großes Thema auf der re:publica.

Von Tobias Jaecker

Woher kommt das Hass-Trollen im Netz? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Klar ist: Mit jedem Post kann hier ein Riesenpublikum erreicht werden. Und bei Vielen fällt offenbar jede Hemmung, wenn sie nicht einem Menschen gegenüber sitzen, sondern einem Bildschirm.

Dirk Franke ist einer der ersten Wikipedia-Administratoren in Deutschland und bestreitet, dass nur die Anonymität das Problem sei. „Meine Erfahrung zeigt, dass die schlimmsten Pöbler unter Klarnamen genauso schlimm pöbeln“, sagt Franke. „Ich glaube nicht, dass Leute, die online trollen, offline total liebe, nette Menschen sind, die keinerlei schlechte Gedanken haben. Es sind dieselben Leute, denen es online nur einfacher gemacht wird.“

Gegenseitige Ermutigung hilft

Die Netz-Journalistin Ingrid Brodnig sagt dazu, dass Pöbeleien schlicht und einfach mehr Aufmerksamkeit erzeugen würden: „Postings mit Beschimpfungen bekommen die meisten Likes. Da wird nach dem Motto vorgegangen: Ich habe eine Meinung, verwirren Sie mich nicht mit Tatsachen.“ Die meisten Tiraden sind schlicht dämlich. Viele re:publica-Besucherinnen haben aber auch schon weniger lustige Erfahrungen mit Trollen gemacht, stellt sich heraus, wurden etwa mit Vergewaltigungsdrohungen oder homophoben Sprüchen attackiert. Ignorieren ist in solchen Fällen keine Option.

Stattdessen könnte eine Beschwerde bei Facebook & Co. helfen, damit sexistische oder rassistische Posts gelöscht werden. Das empfiehlt Johannes Baldauf, der für die Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung die Seite no-nazi.net betreut. Und er hat weitere Tipps, wie man auf rechte Propaganda in sozialen Netzwerken reagieren kann. „Die Erzählung zum Beispiel, dass zu viele Flüchtlinge kommen und wir überrannt werden – das sollte man nicht unkommentiert stehenlassen“, sagt Baldauf. „Man kann auf jeden Fall sagen, dass man das falsch findet.“ Außerdem sei es wichtig, sich gegenseitig zu ermutigen: „Da reicht es schon, zu sagen, ich finde das nicht richtig – oder entsprechende Kommentare zumindest mit einem Like zu unterstützen.“

Trolle sind resistent gegen Fakten

In vielen Fällen hilft sachliches Argumentieren allerdings nicht weiter. Denn es liegt im Wesen des Trollens, sich gegen Fakten resistent zu machen. Die Berliner Datenwissenschaftlerin Rebecca Cotton empfiehlt: „Antworte drei Mal und dann ist alles gesagt – das ist ein Tipp, den ich jedem mitgeben kann. Wenn man dann die Diskussion noch fortführt, wird es in der Regel unproduktiv.“

Cotton bot gemeinsam mit Wikipedia-Aktivist Franke einen Workshop zur „Kunst des Trollens“ auf der re:publica an – die beiden finden nämlich, dass auch zurücktrollen eine gute Methode sein kann. „Trollen heißt ja erstmal nur, dass man eine Diskussion provoziert,“ sagt Franke. Oft seien Diskussionen festgefahren: „Und trollen ist in diesem Sinne angewandtes Querdenken. Also ich mache irgendwas, mit dem keiner rechnet, werfe einen Köder ins Wasser, und dann passiert etwas Unerwartetes.“

Die Datenwissenschaftlerin Rebecca Cotton und Wikipedia-Administrator Dirk Franke
Das führten Cotton und Franke auch selbst ganz praktisch vor. Zu ihrem Workshop kamen sie mit Gummistiefeln und bunten, aufblasbaren Plastikfischen auf die Bühne – und trollten die re:publica-Zuschauer, indem sie minutenlang über verschiedene Fischarten und das Angeln referierten. Denn daher kommt das Wort „Trollen“ ursprünglich – die Diskussionsteilnehmer mit überraschenden Einwürfen zu provozieren und zu ködern. Tatsächlich durchkreuzte die Angel-Performance die Erwartungen des re:publica-Publikums gehörig.

Tipps gegen Frust und Hassgefühle

Aber helfen Kunstaktionen auch gegen Hass-Trolle? Die Berliner Künstlergruppe „Peng! Collective“ mischt derzeit die sozialen Netzwerke mit selbstprogrammierten Twitter-Bots auf und hat das Hass-Trollen auf erfrischende Weise umgedreht: Über Fake-Accounts erhalten Trolle per Video von einem freundlichen Herrn Tipps, wie sie mit ihrem Frust umgehen, den Hass besiegen und sich im Netz anständig verhalten können.

Artikel-URL: http://www.rbb-online.de/politik/thema/2015/republica2015/beitraege/was-tun-gegen-trolle.html

Erschienen in: rbb online, 7.5.2015

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