Snowden-Unterstützer in Clärchens Ballhaus

Es wird eng für Edward Snowden. Das Asyl des Geheimdienst-Enthüllers läuft Ende Juli in Moskau aus. In den USA droht ihm lebenslange Haft. Bisher weigert sich Deutschland, ihn aufzunehmen. Seine Unterstützer haben deshalb eine neue Kampagne gestartet: „Berlin steht auf Snowdens Seite“. Und die hat prominente Unterstützung.

Von Tobias Jaecker

Der Spiegelsaal von Clärchens Ballhaus ist rappelvoll, heiß und stickig. Rund 200 Menschen haben sich am Mittwochabend in der Berliner Auguststraße versammelt: Netzaktivisten wie Jacob Appelbaum, aber auch der emeritierte Politik-Professor Elmar Altvater von der FU Berlin. Der frühere Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust ist da – und die Musikerin Inga Humpe von „2raumwohnung“. Musik tönt aus den Boxen, Häppchen und Drinks werden gereicht.

Den Abend hat die „Courage Foundation“ organisiert. Die Stiftung verwaltet den einzigen offiziellen Spendentopf für den Geheimdienst-Enthüller Edward Snowden. Aus dem Topf werden seine Anwälte bezahlt – und weltweit weitere Unterstützung organisiert, zukünftig auch für andere Whistleblower. Direktorin der Stiftung ist die Wikileaks-Mitarbeiterin Sarah Harrison, die Snowden vor einem Jahr von Hongkong nach Moskau begleitet hat.

Feiger Profit und keine Einreise

Sie schaltet per Skype zu ihrem Mitstreiter Julian Assange. Der Wikileaks-Gründer sitzt nach wie vor in der Botschaft Ecuadors in London fest und erzählt der in Berlin versammelten Menge: „Im Fall von Edward Snowden verstehe ich nur zu gut, wie es ist, in einem Land ohne Anklage festgehalten zu werden. Ich bin jetzt vier Jahre in Großbritannien und zwei Jahre in dieser Botschaft, einem sehr kleinen Raum, fast wie im Gefängnis.“

Ähnlich wie bei Assange ist die Lage auch bei Snowden verfahren. Sein deutscher Anwalt, der Berliner Wolfgang Kaleck, spricht ebenfalls im Ballhaus – und hält sich bedeckt. Snowden sei zum Spielball zwischen den USA und Russland geworden. Andere Länder wie Deutschland profitierten von seinen Enthüllungen und hielten sich feige zurück. Die informellen Gespräche mit den US-Behörden über eine mögliche Rückkehr Snowdens gingen weiter.

In Deutschland ist die Lage ebenfalls ungeklärt. Klar ist derzeit, dass die Bundesregierung Snowden nicht einreisen lassen will. Der Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Geheimdienst-Überwachung hat beschlossen, Snowden erst einmal nur in Moskau zu besuchen. Ob Snowden das mitmacht, wird sich laut Kaleck in der kommenden Woche entscheiden.

Unterstützung für andere Whistleblower zugesagt

Die Snowden-Unterstützer macht das Hickhack um den Whistleblower nur noch wütend. Die Bloggerin Anne Roth sagt: „Ich finde es frustrierend, dass die deutsche Regierung nicht den Mumm hat, ihn einzuladen.“ Und Markus Beckedahl von Netzpolitik.org ergänzt: „Ich glaube ja, dass die Bundesregierung Angst hat, dass Edward Snowden aufdecken könnte, wie unsere Sicherheitsbehörden in das Netzwerk der NSA eingebunden sind. Wir hoffen, dass in Folge der weiteren Enthüllungen noch viel mehr rauskommt, wie der Bundesnachrichtendienst darin involviert ist.“

Dass die Späh-Aktivitäten der deutschen Geheimdienste erst in Ansätzen aufgeklärt sind, liegt auch daran, dass es einen „deutschen Snowden“ bislang nicht gibt. Annegret Falter vom Whistleblower-Netzwerk fordert deshalb, Geheimnis-Enthüller besser zu schützen und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu stärken.

Menschen, die sich für Verbesserungen in ihrem Betrieb oder ihrer Behörde einsetzten, stünden sonst oft – wie Edward Snowden – weitgehend rechtlos da.

Ein Enthüller huldigt dem anderen

Auch Snowden selbst hatte am Abend einen Auftrtt. Er überbrachte seinen Berliner Unterstützern ebenfalls eine Botschaft, wenn auch nur per Videoaufzeichnung: „Wir können aufstehen und weiter Alarm schlagen. Genug ist genug!“ Die „Courage Foundation“ sammelt weiter Spenden – und ruft dazu auf, persönliche Fotos mit Unterstützer-Sprüchen auf couragefound.org hochzuladen.

Wohin das alles führen wird, steht in den Sternen. Das ist auch in den erhitzten Diskussionen der Snowden-Freunde in Clärchens Ballhaus immer wieder zu hören. Klar ist nur, dass der US-Amerikaner viel bewirkt hat.

Als der Whistleblower Daniel Ellsberg aus den USA zugeschaltet wird, macht das die Dimension noch einmal klar. Ellsberg hatte Anfang der 1970er-Jahre die geheimen Pentagon-Papiere zum Vietnam-Krieg geleakt. Jetzt nennt er Snowden einen „großen Helden“.

Artikel-URL: http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2014/06/edward-snowden-unterstuetzer-claerchens-ballhaus.html

Erschienen in: rbb online, 12.6.2014

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