Journalismus im Dritten Reich

Möglichkeiten und Grenzen publizistischer Opposition

Hausarbeit zum Hauptseminar „Joseph Goebbels“
Dozent: Dr. Daniel Koerfer
Freie Universität Berlin, Friedrich-Meinecke-Institut für Geschichtswissenschaften
SS 2000

vorgelegt von Tobias Jaecker

Gliederung:

I. Einleitung
II. Die Presse und die „Machtergreifung“
III. Nationalsozialstische Medienpolitik
III.1 Die Gleichschaltung der Presse
III.1.a Die rechtlich-institutionelle Ebene
III.1.b Die wirtschaftliche Ebene
III.1.c Die inhaltliche Ebene
III.2 Das nationalsozialistische „Lenkungswirrwarr“
IV. Presse im Dritten Reich
IV.1 Die großen demokratischen Zeitungen
IV.2 Die bürgerlich-konservative Presse
IV.3 Konfessionelle Zeitungen und Zeitschriften
IV.4 Die illustrierte Massenpresse
IV.5 Die nationalsozialistische Parteipresse
IV.6 Die Wochenzeitung „Das Reich“
IV.7 Exkurs: Rundfunk und Wochenschau
V. Möglichkeiten publizistischer Opposition
VI. Fazit
VII. Bibliographie
VII.1 Verzeichnis der verwendeten Quellen
VII.2 Verzeichnis der verwendeten Literatur

I. Einleitung

„Es war ja wohl nicht Goebbels alleine, der zum totalen Krieg rief. Wir Journalisten haben mitgeschrien und mitgeschrieben. Ich sage: wir. Gewiss, ich genieße die Gnade der späten Geburt […]. Aber ich weiß sehr gut, was aus mir hätte werden können, wenn uns 1945 die Alliierten nicht die – ja Gnade ihres Sieges erwiesen hätten.“
Otto Köhler [1]

„Journalismus im Dritten Reich“ – das Thema der vorliegenden Arbeit ist auch 55 Jahre nach dem Untergang des NS-Regimes noch umstritten wie eh und je. Klar ist: Die Nationalsozialisten brauchten die Journalisten, um ihre Macht auszubauen und zu festigen. Und die Journalisten waren vom Wohlwollen der Nationalsozialisten abhängig, wollten sie die Ausübung ihres Berufes nicht gefährden. Dennoch: Wäre es nicht gerade im Sinne eines unabhängigen Journalismus gewesen, dem Nationalsozialismus publizistische Opposition [2] entgegenzusetzen und für demokratische Verhältnisse und Meinungsfreiheit zu kämpfen?

Um diese Frage beantworten zu können, müssen zunächst die Rahmenbedingungen untersucht werden, mit denen es die Journalisten im Dritten Reich zu tun hatten. Wie sah nationalsozialistische Medienpolitik aus? Wie weit ging das System der Presselenkung? [3] Gab es Schwachstellen? Anschließend können die Auswirkungen betrachtet werden, die die Presselenkung bei den einzelnen Printmedien zur Folge hatte. Im letzten Teil der Arbeit schließlich sollen die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen publizistischer Opposition eingehender diskutiert werden. Gab es Spielräume? Und wenn ja, wurden diese von den Journalisten hinreichend genutzt?

Das oben stehende Zitat von Otto Köhler verdeutlicht, dass man sich gerade als „Nachgeborener“ vor eilfertigen moralischen Urteilen hüten sollte. Dies sollte jedoch nicht von einer kritischen Herangehensweise an das Thema abhalten. Eine harte Auseinandersetzung mit den Fehlern der Vergangenheit kann schließlich auch den Blick dafür schärfen, antidemokratische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und diesen mit aller Kraft entgegenzuwirken.

II. Die Presse und die „Machtergreifung“

Die Zeitungen in der Weimarer Republik hatten bereits 1928/30 mit größeren finanziellen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Wirtschaftskrise steigerte die ökonomische und damit auch die politische Abhängigkeit der Verlage, verstärkte den Konzentrationsprozess im Pressewesen und schwächte vor allem die demokratische und liberale Presse – sowohl quantitativ als auch qualitativ. 1932 wurden noch 4.703 Tages- und Wochenzeitungen einschließlich der Nebenausgaben gezählt, von denen die Hälfte parteioffiziös oder grundrichtungsbestimmt war (Wilke/Noelle-Neumann 1994: 440). Ein großer Teil dieser Zeitungen befand sich im Besitz des deutsch-nationalen Hugenberg-Konzerns. Auf kommunistischer Seite stand der deutlich kleinere Münzenberg-Konzern.

Die weitaus meisten Zeitungen vor 1933 waren dem aufkommenden Nationalsozialismus gegenüber zwar zurückhaltend, kritisch oder feindlich eingestellt. Dennoch spiegelte sich die politische Radikalisierung und Polarisierung der Gesellschaft immer deutlicher auch in der Presse wider. Selbst unter den liberalen Zeitungen war teilweise eine taktisch-temporäre Anpassung an den autoritären Kurs der Präsidialkabinette zu beobachten. Die Frankfurter Zeitung etwa propagierte seit dem Sommer 1932 wiederholt, die NSDAP in die Regierungsverantwortung einzubinden und auf diese Weise zu „zähmen“. (Sösemann 1985: 199 f.). Die konservativen Kräfte in Verlagen und Redaktionen lehnten den nationalsozialistischen Straßenterror zwar ab, beriefen sich aber des öfteren auf inhaltliche Gemeinsamkeiten. In außenpolitischen Fragen etwa existierte nur selten Dissens: National-konservative Verleger und Journalisten konnten sich mit der vehementen nationalsozialistischen Ablehnung des Versailler Vertrages durchaus identifizieren (Müsse 1995: 15). Standhaft liberal und anti-nationalsozialistisch positionierten sich nur noch die Vossische Zeitung, das Berliner Tageblatt, die Kölnische Zeitung und die Westfälischen Neuesten Nachrichten aus Münster (Frei/Schmitz 1999: 10 f.).

Nach der Regierungsbeteiligung der NSDAP am 30. Januar 1933 unterschätzte die Presse deren Bedeutung auch weiterhin. Die deutsch-nationalen „Einrahmungspolitiker“ hingegen wurden in ihrer Bedeutung überschätzt. Viele Publikationen nahmen demzufolge den Standpunkt ein, die neue Herrschaft werde nicht von Dauer sein (Sösemann 1985: 200). Auch die Presseverbände, der „Reichsverband der deutschen Presse“ (RVDP) und der „Verein deutscher Zeitungsverleger“ (VDZV), ließen eine entschiedene Oppositionshaltung nach Hitlers Regierungsantritt vermissen. Dabei ließen die neuen Machthaber schon bald die letzten Hemmungen fallen: Nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 verübte die SA eine Reihe grausamer Gewaltakte gegen Journalisten. Der Reichspropagandaleiter der NSDAP und zukünftige Reichsminsiter für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, hatte schon 1932 in seinem Tagebuch wegen eines missliebigen Zeitungsartikels notiert: „Am besten wäre es ja, man ließe eine solche Schreiberkreatur von einem S.A.-Trupp aus der Redaktion herausholen und auf der Straße öffentlich verprügeln“ (in: Fröhlich 1987/Bd. 2: 158).

Die gesamte linke Publizistik wurde nun faktisch ausgeschaltet, daneben traf es aber auch zahlreich liberale und konservative Journalisten. Etwa 2.000 Publizisten und Schriftsteller wurden ins Exil getrieben (Frei/Schmitz 1999: 17). Die große Mehrheit blieb jedoch. Vor allem auf die bürgerliche Presse waren die Nationalsozialisten noch angewiesen, um die institutionelle und personelle Formierung der Gesellschaft weiter vorantreiben zu können (Frei/Schmitz 1999: 19).

III. Nationalsozialstische Medienpolitik

III.1 Die Gleichschaltung der Presse

Die Nationalsozialisten bedienten sich der Presse im Dritten Reich als „Mittel der Staatsführung“, um ihre politischen Ziele im Inneren und nach außen verwirklichen zu können (Wilke/Noelle-Neumann 1994: 441). Adolf Hitler hatte gegenüber der Presse von vornherein eine geringschätzige und indifferente Einstellung. Dem geschriebenen Wort maß er schon deshalb wenig Bedeutung bei, weil er selbst in erster Linie Redner war. Er betrachtete die Presse vor allem unter dem Gesichtspunkt agitatorischer Nützlichkeit als Teil seines Propaganda-Programms. Anders Joseph Goebbels, der im März 1933 Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda wurde. Goebbels schrieb nicht nur Tagebuch, sondern verfasste gelegentlich auch Zeitungsartikel. Ihm war es ein ernsthaftes Anliegen, dass die Presselandschaft auch über niveauvolle Publikationen verfügte.

Dennoch: Auch Goebbels wollte, dass die Presse „nicht nur informieren, sondern auch instruieren“ solle. Die Presse sei „in der Hand der Regierung sozusagen ein Klavier […], auf dem die Regierung spielen kann“, sie sei „ein ungeheuer wichtiges und bedeutsames Massenbeeinflussungsinstrument […], dessen sich die Regierung in ihrer verantwortlichen Arbeit bedienen kann“, schrieb Goebbels „über die Aufgaben der Presse“. Dies zu erreichen betrachte er als eine seiner „Hauptaufgaben“ (in: Zeitungsverlag vom 18. März 1933, zit. nach Wulf 1983: 64 f.).

Um diesem Ziel näher zu kommen, wurden Journalisten und Verlage im Dritten Reich schrittweise gleichgeschaltet. Die Publizistik erlebte einen Funktionswandel: Die „freie Meinungsbildung“ wurde schon bald in die „Verantwortung für die Nation“ gestellt. Nicht durch offene Zensur, sondern durch die angebliche „innere Gebundenheit des Kulturschaffens in Presse, Theater und Film“. Die Zeitung wurde zum „geistigen Bindeglied und überzeugenden Ausdruck der nationalen Gemeinschaft“. Die geschichtliche Sendung sollte alles Geschehen im Volke durchwirken, und zwar nicht machtmäßig von außen, sondern „geistig“ und „seelisch“ von innen. „Pressefreiheit“ wurde unter den Nationalsozialisten zum „liberalistischen Schlagwort“, „Propaganda“ hingegen erhielt einen positiven Wert (vgl. Sösemann 1985: 201). Die Gleichschaltung der Presse wurde durch die nationalsozialistische Presselenkung vorangetrieben. Hier ist zwischen drei Ebenen zu unterscheiden: der rechtlich-institutionellen, der ökonomischen und der inhaltlichen Ebene.

III.1.a Die rechtlich-institutionelle Ebene

Um die Presse in den Griff zu bekommen, bedienten sich die Nationalsozialisten zunächst des Instruments der Notverordnungen, die der Reichspräsident erlassen konnte. Mit der „Verordnung zum Schutze des deutschen Volkes“ vom 4. Februar 1933 wurden Beschlagnahmung und Verbot von Druckschriften geregelt. Unter der Verantwortung von Reichsinnenminister Frick wurde ein umfangreicher Katalog von Verbotsgründen erarbeitet. Darunter fielen etwa die Verbreitung „unrichtiger Nachrichten“ und der Aufruf zum Streik.

Mit der Verordnung „Zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933, der so genannten Reichstagsbrandverordnung, wurde das Grundrecht auf Meinungs- und Pressefreiheit außer Kraft gesetzt, vorgeblich „zur Abwehr kommunistischer und staatsgefährdender Gewaltakte“. Kommunistische und sozialdemokratische Zeitungen wurden pauschal verboten, [4] SA-Leute besetzten zahlriche Druck- und Verlagshäuser. Mit dem „Gesetz über die Einziehung kommunistischen Vermögens“ vom 26. Mai 1933 wurde die Enteignung der kommunistischen Verlage nachträglich „legalisiert“, das „Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ vom 14. Juli verrechtlichte die Enteignung der sozialdemokratischen Verlage. Die meisten Objekte wurden in der Folgezeit NS-Verlagen übereignet.

Vom Verband der deutschen Zeitungsverleger (VDZV) war kein Widerstand mehr zu erwarten. Nach der antijüdischen Boykottaktion Anfang April 1933 hatte sich der VDZV in einer Ergebenheitsadresse mit den Nazis solidarisch erklärt und gegen die „Greuelhetze“ aus dem Ausland protestiert (Frei/Schmitz 26). Der NSDAP war es ein leichtes, den Verband zu übernehmen. Am 28. Juni 1933 wurde Max Amann zum Vorsitzenden ernannt, der Verband wurde in Reichsverband der deutschen Zeitungsverleger (RDZV) umbenannt. Die Delegierten des Journalisten-Verbandes Reichsverband der Deutschen Presse (RDP) wählten am 30. April einstimmig den Reichspressechef der NSDAP, Otto Dietrich, zu ihrem neuen Vorsitzenden (Frei/Schmitz 1999: 26 f.). Ferner beschloss die Versammlung, „Juden und Marxisten“ künftig nicht mehr aufzunehmen.

Der bislang völlig freie Zugang zu den Presseberufen wurde durch ein am 4. Oktober 1933 beschlossenes und am 1. Januar 1934 in Kraft tretendes Journalistengesetz, das so genannte Schriftleitergesetz, reglementiert. Die Presse trat nun offiziell in den Dienst des NS-Staates. Träger der „öffentlichen Aufgabe“ und damit verantwortlich für den Inhalt waren ab diesem Zeitpunkt nicht mehr die Verleger, sondern die Redakteure. Obwohl das Gesetz den Journalisten scheinbar aus der Abhängigkeit des Verlegers befreite, „bedeuteten die Einschränkungen eine eindeutige Bindung des Schriftleiters an die staatlich verfügte Pressepolitik“ (Koszyk 1972: 366). Schriftleiter durfte nach dem Gesetz nur werden, wer sich in eine Berufsliste eintragen ließ. In §5 wurde festgelegt, dass Schriftleiter nur sein könne, „wer: 1. die deutsche Reichsangehörigkeit besitzt, 2. die bürgerlichen Ehrenrechte und die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht verloren hat, 3. arischer Abstammung ist und nicht mit einer Person von nichtarischer Abstammung verheiratet ist, 4. das 21. Lebensjahr vollendet hat, 5. geschäftsfähig ist, 6. fachmännisch gebildet ist, 7. die Eigenschaften hat, die die Aufgabe der geistigen Einwirkung auf die Öffentlichkeit erfordert“ (in: Wulf 1983: 74 f.).

Die Schriftleiter standen unter ständiger Kontrolle. Bei „Berufsvergehen“ wie Verstößen gegen die Berufspflichten „politische Zuverlässigkeit“ oder „sittengerechtes Verhalten“ konnten Schriftleiter durch ein Berufsgericht, dessen Mitglieder von Goebbels ernannt wurden, getadelt oder ganz von der Ausübung des Berufs ausgeschlossen werden. Die Eintragung in die Berufsliste wurde durch den Leiter des jeweiligen Landesverbandes der Presse, ab 1938 vom Gauleiter, vorgenommen. Rein konfessionelle bzw. jüdische Periodika waren von den Bestimmungen des Schriftleitergesetzes zunächst noch ausgenommen. RDP-Chef Wilhelm Weiß verkündete später jedoch stolz, dass die deutsche Presse im Laufe des Jahres 1934 „von mindestens 1.300 jüdischen und marxistischen Journalisten befreit“ wurde (zit. nach Frei/Schmitz 1999: 28).

Auf der institutionellen Ebene hatten sich die Nationalsozialisten bereits durch Erlass vom 13. März 1933 das „organisatorische Kernstück“ ihres Medienapparates geschaffen: Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) unter Leitung von Joseph Goebbels (Longerich 1993: 296). Dem neuen Ministerium wurden die Presseabteilung der Reichsregierung, die bisher im Auswärtigen Amt angesiedelten außenpolitischen Informations- und Nachrichtendienste, die dem Reichsinnenministerium nachgeordnete „innenpolitische Aufklärung“ sowie verschiedene Sachgebiete aus anderen Ministerien zugeschlagen. Dazu kamen Teile der Reichspropagandaleitung. Laut Verordnung vom 30. Juni 1933 war das RMVP zuständig „für alle Aufgaben der geistigen Einwirkung auf die Nation, der Werbung für Staat, Kultur und Wirtschaft, der Unterrichtung der in- und ausländischen Öffentlichkeit über sie“. Ab Juli 1933 wurden in jedem Gau Landesstellen des RMVP eingerichtet, 1937 wurden die Landes- zu Reichsbehörden erhoben. Die „Reichspropagandaämter“, wie sie fortan hießen, erteilten der Provinzpresse lokale Informationen und Weisungen (vgl. Kohlmann-Viand 1991: 76 ff.).

Mit Gesetz vom 22. September 1933 wurde die Reichskulturkammer gegründet und Minister Goebbels unterstellt. Die Institution bestand aus sieben Einzelkammern u.a. für Presse, Rundfunk und Film. Der Pressekammer mussten sämtliche Berufsverbände beitreten. Über die Mitgliedschaft entschied Max Amann, der zum Präsidenten der Reichspressekammer ernannt wurde. Im Auswärtigen Amt entstand 1938 unter Außenminister Joachim von Ribbentrop ein eigener Propagandaapparat – im Wesentlichen aus einem „bürokratischen Konflikt“ heraus (Longerich 1987: 331). Ribbentrop erhielt auf diese Weise kurzfristig größeren Einfluss bei der Presselenkung im außenpolitischen Bereich. Im September 1938 wurde der Presseabteilung von Hitler die Führungsrolle in der Auslandspropaganda zuerkannt. Im Laufe des Jahres 1941 gewann jedoch das Propagandaministerium wieder die Oberhand und die Bedeutung der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes verringerte sich erheblich (Longerich 1987: 325 f.).

III.1.b Die wirtschaftliche Ebene

Anfang 1933 existierten im Deutschen Reich noch rund 3.400 Zeitungen (Frei/Schmitz 1999: 23). Viele dieser „Tageszeitungen“ erschienen jedoch nur drei oder vier mal pro Woche und hatten nur einen sehr geringen Seitenumfang. Die politischen Meldungen übernahmen viele Periodika von so genannten Materndiensten. Vor allem der deutsch-nationale Hugenberg-Konzern, der an der Verbreitung seiner „tendenziösen Nachrichten“ sehr interessiert war, bot diesen Serviece an und „nahm damit auf viele Kleinzeitungen indirekt politischen Einfluss“ (Frei/Schmitz 1999: 24). Die NSDAP begann, auf unauffälligem Wege zahlreiche Verlage in Besitz zu nehmen. Geplant und durchgeführt wurden die Transaktionen von Reichspressekammer-Chef Max Amann, der zugleich Generaldirektor des Zentralverlags der NSDAP Franz Eher Nachf. war. Als Berater stand ihm Max Winkler zur Seite. Die erste Enteignungswelle im Jahre 1933 in Folge der Notverordnungen gab den Auftakt für eine Serie von Zeitungsaufkäufen und -übernahmen durch den Eher-Konzern bzw. dessen Tochtergesellschaften.

Am 24. April 1935 erließ RPK-Chef Max Amann drei Anordnungen, die weiteren 400 Zeitungen den Garaus machten: Die „Anordnung über Schließung von Zeitungsverlagen zwecks Beseitigung ungesunder Wettbewerbsverhältnisse“, die „Anordnung zur Beseitigung der Skandalpresse“ sowie die „Anordnung zur Wahrung der Unabhängigkeit des Zeitungsverlagswesens“. Ab nun war es einem Verleger nicht mehr erlaubt, mehr als eine Zeitung herauszugeben. Sämtliche Verlage mussten die Rechtsform einer Personalgesellschaft annehmen und einzelne Zeitungen durften nicht mehr subventioniert werden. Zudem wurde es den Zeitungen verboten, ihr inhaltliches Profil auf einen bestimmten Personenkreis auszurichten.

Durch die weitgefassten Verbotsgründe wurden die Verleger automatisch „unter Druck gesetzt […], ihre Blätter an Stromänner zu verkaufen, die die Titel unauffällig in ein schwer durchschaubares System von Holdinggesellschaften einbrachten, das vom Eher-Verlag gesteuert wurde“ (Longerich 1993: 298). Wurden dem Eher-Verlag die Mehrheitsanteile verweigert, drohte die Schließung. Ein Hinweis auf diese Maßnahmen genügte deshalb „in den meisten Fällen, um die Zeitungsverleger zur Aufgabe zu bewegen“ (Koszyk 1972: 396). Auf diese Weise konnte sich die NSDAP auch die Traditionsverlage Ullstein und Mosse unter den Nagel reißen (Koszyk 1972: 367). Im Jahre 1939 kontrollierte der Eher-Verlag über eine Handvoll Holdinggesellschaften bereits rund 150 Verlage.

Die letzte Enteignungswelle setzte während des Krieges ein und traf vor allem die verbliebenen kleineren und mittleren Zeitungsverlage. Im Mai 1941 erteilte die Reichspressekammer rund 550 Zeitungen einen Stillegungsbescheid. Begründung: „Kriegserfordernisse“. Bis Ende 1943 wurden weitere 950 Zeitungen eingestellt. Nach der letzten Stillegungswelle Ende 1944 befanden sich noch 625 Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 4,4 Mio. Exemplaren (17,5%) in Privatbesitz. 352 Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 21 Millionen waren in der Hand der NSDAP.

III.1.c Die inhaltliche Ebene

Die inhaltliche Lenkung der Presse lief in erster Linie über die Berliner Pressekonferenzen im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP), auf denen Informationen und Anweisungen aus den einzelnen Ministerien oder der Reichskanzlei erteilt wurden. Die Nationalsozialisten funktio-nierten die Einrichtung von der „Pressekonferenz der Journalisten bei der Reichsregierung“ zu einer „offiziellen Pressekonferenz der Reichsregierung“ um (Sänger 1975: 27). Die Teilnahme war jetzt nur noch eigens zugelassenen Journalisten gestattet, der Vorsitz lag seit 1. Juli 1933 beim Leiter der Presseabteilung des RMVP und stellvertretenden Pressechef der Reichsregierung, Kurt Jahncke. Später übernahm Alfred-Ingemar Berndt den Vorsitz.

Minister Goebbels verkündete den versammelten Journalisten bei seinem ersten Auftritt: „Selbstverständlich sollen Sie hier Informationen bekommen, aber auch Instruktionen. Sie sollen nicht nur wissen, was geschieht, sondern sollen auch wissen, wie die Regierung darüber denkt und wie Sie das am zweckmäßigsten dem Volk klarmachen können“ (zit. nach Frei/Schmitz 1999: 30). Das war zwar schon eine deutliche Aussage, doch in seinem ein Jahr später veröffentlichten Tagebuch „Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei“ war nachzulesen, wie der Minister über die Journalisten wirklich dachte: „Viele von denen, die hier sitzen, um öffentliche Meinung zu machen, sind dazu gänzlich ungeeignet. Ich werde sie sehr bald ausmerzen“ (vgl. Fröhlich 1987/Bd. 2: 393).

Die inhaltliche Presselenkung beruhte auf dem „Prinzip der indirekten Vor- und der direkten Nachzensur“ (Frei/Schmitz 1999: 29). Die Pressekonferenz, die mindestens einmal täglich zusammengerufen wurde, [5] avancierte schon bald zu einer Veranstaltung, auf der die deutsche Presse Weisungen erhielt, „welche Meldungen sie bringen müsse, welche davon bevorzugt, welche zu kommentieren seien und in welche Richtung der Kommentar zu zielen habe, wie die Meldung zu placieren sei, was nicht veröffentlicht werden durfte“ (Sänger 1975: 29). Verbote und ausdrückliche Sprachregelungen wurden anfangs jedoch eher selten erlassen. Die Gesamtzahl der Presseanweisungen zwischen 1933 und 1945 liegt bei schätzungsweise 80.000 bis 100.000 Stück. [6] Die Anweisungen waren oftmals sehr detailliert formuliert und betrafen teilweise auch recht banale Angelegenheiten. [7]

Die verschiedenen Zeitungen mussten sich nicht alle gleich stark an die Anweisungen halten. Eine totale inhaltliche Uniformierung der Tagespresse wollte man zunächst vermeiden. Zeitungen, die einer vorangegangenen Anweisung nicht entsprochen hatten, wurden jedoch kritisiert und gerügt. Die meisten Verstöße wurden bei der Deutschen Allgemeinen Zeitung (184), beim Berliner Tageblatt (123) und bei der Frankfurter Zeitung (90) festgestellt (Koszyk 1972: 375). Die Provinzzeitungen erhielten über die Landesstellen des Propagandaministeriums zusätzliche Anweisungen. Eigene Pressekonferenzen gab es außerdem für die Auslands- und die Zeitschriftenpresse. Auf letztere wurde zudem durch die amtliche Zeitschriften-Information und seit 1939 über den „Zeitschriften-Dienst“ Einfluss genommen (Koszyk 1972: 413 ff.).

Vor den täglichen Reichspressekonferenzen wurde im Propagandaministerium eine so genannte „Abstimmungskonferenz“ abgehalten, um die Spannungen und Differenzen innerhalb des Lenkungsapparates nicht nach außen dringen zu lassen. Hier kam es des öfteren zu Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern von Propagandaminister Goebbels, denen des Reichspressechefs der NSDAP und der Reichsregierung, Dietrich sowie den Abgesandten des Propagandaapparates im Auswärtigen Amt (Longerich 1993: 298 f.).

Nach Kriegsbeginn wurden die Presseanweisungen durch eine wörtlich fixierte Tagesparole ergänzt, die von Reichspressechef Dietrich ausgegeben wurde. Mit der Einführung dieser aus dem Militärdienst entnommenen Methode wurde die Presse „noch deutlicher kommandiert“ (Sänger 1978: 74). Die Tagesparole war für die Zeitungen verbindlich. Die erste Parole [8] wurde am 2. November 1940 ausgegeben und lautete: „Göring hat zu neuem Auftrag des Führers, den Vierjahresplan für weitere vier Jahre zu übernehmen, Erklärung abgegeben, deren Text in allen Blättern, die das Datum vom Sonntag, 3. November tragen, in guter Aufmachung abgedruckt werden soll“ (zit. nach Sänger 1978: 76).

Neben den Presseanweisungen wurde die inhaltliche Steuerung der Presse auch über die Nachrichtenagenturen betrieben. Die meisten deutschen Zeitungen hatten keine eigenen Korrespondenten in Berlin und waren deshalb auf die Informationen der Agenturen angewiesen. Die beiden Nachrichtenagenturen der Weimarer Republik, das Wolffsche Telegraphenbüro (W.T.B.) und die Telegraphen Union (TU), fusionierten bereits am 1. Januar 1934 zum Deutschen Nachrichtenbüro GmbH (DNB). Sämtliche Anteile des Unternehmens waren im Besitz des Staates, der auf diese Weise für einen Teilbereich der Presse ein Quasi-Nachrichtenmonopol besaß. Neben herkömmlichen Meldungen verbreitete der DNB gelegentlich auch Auflagenmeldungen, welche die Zeitungen zwangsweise abdrucken mussten. Daneben gab es auch vertrauliche Anweisungen, die je nach Stufe der Geheimhaltung auf verschiedenfarbigem Papier an verschiedene Abnehmerkreise übermittelt wurden. Die Abhängigkeit des DNB vom Staat blieb dem Publikum nicht verborgen: Im Volksmund wurde die Abkürzung DNB mit „Darf Nichts Bringen“ übersetzt (Frei/Schmitz 1999: 33).

Insgesamt muss konstatiert werden, dass die unzähligen Maßnahmen der inhaltlichen Indoktrination zu einem deutlichen Auflagenschwund bei der Tagespresse führte. Der „materielle Niedergang, verbunden mit einem qualitativen Rückgang, geistiger Uniformität und damit Sterilität von Inhalt und Form“ führte zu einem deutlichen Verlust von „Glaubwürdigkeit und Zugkraft“ (Abel 1968: 104). [9]

III.2 Das nationalsozialistische „Lenkungswirrwarr“

Bei der Übertragung der nationalsozialistischen Ziele auf den Staat kam es zu einer Häufung von Staats-, Partei- und Berufsverbandsfunktionen. Die personelle Verklammerung von Partei- und Staatsapparat führte zu einem nicht unerheblichen „Lenkungswirrwarr“ mit Kompetenzstreitigkeiten und persönlichen Rivalitäten. Fritz Sänger behauptet sogar, es sei „müßig, die formalen Abgrenzungen der Aufgabengebiete nachzuzeichnen“, da sie „ohnehin auf jede mögliche Weise ständig überschritten“ worden seien (Sänger 1978: 75).

Die mächtigste Person im Bereich der Presselenkung war zweifelsohne der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda und Reichspropagandaleiter der NSDAP, Joseph Goebbels. Im Herbst 1933 wurde Goebbels zudem Präsident der Reichskulturkammer. Neben Goebbels fiel auch Otto Dietrich ein wichtige Rolle zu. Dietrich war Reichspressechef der NSDAP und Goebbels damit auf Parteiebene faktisch gleichgestellt. Bis Ende 1933 war Dietrich zudem Präsident des Reichsverbandes der Deutschen Presse. Die Streitigkeiten mit Goebbels begannen, als Otto Dietrich im November 1937 zum Pressechef der Reichsregierung und Staatssekretär der Abteilung IV (Presse) im Propagandaministerium ernannt wurde. In dieser Funktion war Dietrich nämlich wiederum Goebbels unterstellt.

Beim Aufbau der Presseabteilung wurde Dietrich zu einem „persönlich und sachlich ernst zu nehmenden Antagonisten“ für Goebbels (Abel 1968: 18). Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen zwischen Goebbels und Dietrich standen die sowohl vom einen wie vom andern ausgehenden Presseanweisungen. Bei der propagandistischen Behandlung politischer Themen und Anlässe trafen die unterschiedlichen Meinungen bald offen aufeinander (Abel 1968: 18 f.). [10] Dietrich konnte seine Machtposition 1940 mit der Einführung der „Tagesparole des Reichspressechefs“ noch „entscheidend“ ausbauen und untermauern (Kohlmann-Viand 1991: 104 u. 108). Zwar setzte sich Goebbels vor Hitler letztendlich meist durch, im täglichen Kleinkrieg der Presseanweisungen konnte er Dietrichs Einfluss jedoch nie vollständig ausschalten.

Goebbels‘ Zuständigkeiten wurden außerdem durch die Bemühungen von Außenminister Ribbentrop berührt, eine eigene Presseabteilung im Auswärtigen Amt (AA) aufzubauen. Die Kompetenzkonflikte nahmen in der Arbeit der Presseabteilung im AA bald einen derart hohen Stellenwert ein, dass ihre ursprüngliche Aufgabe, die propagandistische Begleitung der deutschen Außenpolitik, völlig überlagert wurde. Das Für und Wider geplanter pressepolitischer Maßnahmen „wurde häufig […] vor allem mit dem Blick auf das Propagandaministerium erörtert, die Frage ihrer propagandistischen Wirksamkeit trat demgegenüber in den Hintergrund“ (Longerich 1987: 335). Die Reibungsverluste hatten zur Folge, dass sich das AA mit seiner von Hitler zuerkannten Führungsrolle in der Auslandspropaganda „letztlich nicht durchsetzen“ konnte (Longerich 1987: 332).

Der vielleicht „auffälligste Konflikt“ im System der Presselenkung bestand jedoch zwischen Joseph Goebbels und Max Amann bzw. zwischen ihren Mitarbeitern Otto Dietrich und Rolf Rienhardt (Abel 1968: 13 ff.). Amann war der „mächtigste Mann nach Goebbels“ (Abel 1968: 18). Er war zugleich Reichsleiter für die Presse der NSDAP und Präsident der Reichspressekammer.

Amann besaß erhebliche Weisungsrechte zur Beeinflussung der Presse und traf sämtliche Entscheidungen im wirtschaftlichen und technischen Bereich der parteiamtlichen und parteieigenen Presse. [11] Zudem kontingentierte er für die gesamte deutsche Presse das Zeitungspapier. Als Präsident der Reichspressekammer befand Amann über die Gründung und Erscheinungsweise periodischer Druckschriften und erließ allgemeine Anordnungen für das gesamte Presseverlagswesen.

Der Konflikt Amanns mit Goebbels begann über dem Zustandekommen des Schriftleitergesetzes. [12] Dieses sicherte Amann zwar die Macht über die Verlage. Sein Einfluss auf die Zeitungsredaktionen wurde durch das Gesetz jedoch erheblich geschmälert. [13] Amann und sein Stabsleiter Rienhardt standen außerdem auch mit den Gauleitern und deren Gaupresseämtern in einem ständigen Kompetenzstreit. Die Gauleiter meinten anfangs, mit den ihnen unterstehenden gauamtlichen Zeitungen „in der Hauptsache ein Werkzeug ihrer eigenen Politik“ in der Hand zu halten und daher „das entscheidende Wort über die Gestaltung und den ‚Einsatz‘ ihrer Zeitungen sprechen zu sollen“ (Abel 1968: 22). Immer wieder kam es vor, dass „hohe und höchste Funktionäre der Partei […] immer wieder ihre eigene Meinung“ mitteilten – in der Regel gar nicht einmal um der Opposition willen, „sondern überwiegend aus persönlichen Gründen, aus menschlicher Schwäche oder aus eigennützigen Interessen, was sie kaum verbargen“ (Sänger 1978: 52). Amann war in jahrelangen Rangeleien darum bemüht, den Gauleitern ihre Befugnisse auf dem verlegerischem Gebiet zu entwinden. Goebbels wiederum stritt sich auf dem journalistischen Sektor mit den Gauleitern.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Konflikte zwischen Goebbels und den anderen Ministerien meist deswegen entstanden, weil laut Verfügung alle Aufgaben der einzelnen Ministerien, soweit sie eine „geistige Einwirkung auf die Nation“ beinhalteten, in die Zuständigkeit des Propagandaminsteriums fallen sollten. Goebbels „vermochte es auf Grund dieser Bestimmungen in der Tat, seine Macht und seinen Einfluss im Laufe der Jahre auf allen kulturellen Gebieten weitgehend zu etablieren und durchzusetzen“. Dennoch existierte in jedem Ministerium auch weiterhin eine eigene Pressestelle, „die in gewissen Grenzen eine selbständige Pressepolitik betrieb“ (Abel 1968: 26). Parteiinstanzen und staatliche Stellen lieferten sich auf diese Weise „bis zuletzt […] Kompetenzgefechte“. Jeder wollte Propagandist in eigener Sache bleiben und „niemand, der ein Stückchen Macht besaß,“ wollte sich „den Zugang zur Öffentlichkeit versperren lassen“ (Frei/Schmitz 1999: 33).

Ob gewollt oder nicht, sei dahingestellt – durch die „Aufrechterhaltung der Rivalitäten und Kompetenzüberschneidungen zwischen dem Amann-, dem Goebbels- und dem Dietrich-Bereich“ sorgte Hitler jedenfalls „dafür, dass die letzte Entscheidungsinstanz des totalen Führerstaates auch auf diesem Sektor er selbst blieb“ (Abel 1968: 68).

IV. Presse im Dritten Reich

IV.1 Die großen demokratischen Zeitungen

Die großen demokratischen Zeitungen der Weimarer Republik, die Frankfurter Zeitung, das Berliner Tageblatt und die Vossische Zeitung, waren den Nationalsozialisten gegenüber zunächst durchaus kritisch eingestellt. Die linksliberale Vossische Zeitung aus dem Ullstein-Verlag etwa versuchte, ihr Profil auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten beizubehalten. Auf der anderen Seite erhielt die Redaktion jedoch einen immer stärkeren jungkonservativen Flügel. Als die Voss am 31. März 1934 wegen finanzieller Schwierigkeiten geschlossen wurden, hinterließ sie eine Lücke, die keine andere Zeitung ausfüllen konnte. Eine „Nische linksliberaler Geistigkeit“ (Frei/Schmitz 1999: 43) war ausgeräumt worden.

Das Berliner Tageblatt (BT) des Verlegers Hans Lachmann-Mosse hatte ebenfalls eine liberale Grundausrichtung. Das Profil der Zeitung war in erheblichem Maße von Chefredakteur Theodor Wolff geprägt worden. Die ersten Monaten nach der Machtübernahme wurden beim Tageblatt jedoch zu „einer Phase schlimmer Anpassung“ (Frei/Schmitz 1999: 43). Verlagschef Karl Vetter schrieb nach dem antijüdischen Boykott am 4. April 1933 unter dem Titel „Klarheit!“, „Missgriffe“ gebe es bei jeder Revolution, und „menschliche Einzeltragödien“ seien unvermeidlich: „Über sie zu reden, steht uns heute nicht zu. Leute, die aus dem sicheren Hort des Auslandes glauben, unserem Volk und insbesondere den deutschen Juden einen Dienst zu erweisen, wenn sie wie alte Anklageweiber herumlaufen, irren sich, und wir lehnen es ab, uns mit ihren Jeremiaden zu identifizieren.“ (zit. nach Frei/Schmitz 1999: 44). Theodor Wolff musste im April ins Ausland fliehen, und die klare Oppositionshaltung der Zeitung von einst war vorerst dahin. Die Leserschaft reagierte ihrerseits mit der Abbestellung der Abonnements.

Im Frühjahr 1934 wurde der Versuch unternommen, das BT mit einem anspruchsvollen Konzept wieder attraktiver zu machen. Paul Scheffer, der nun den Posten des Chefredakteurs innehatte, konnte Goebbels das Versprechen abringen, dass das BT mit mehr Freiheiten rechnen könne als andere Tageszeitungen. Später empfand Scheffer die gegenteilige Behandlung, die er mitsamt dem Tageblatt erfuhr, geradezu als Wortbruch (Boveri 1965: 160 ff.). Scheffer band zahlreiche junge Akademiker an die Zeitung, unter ihnen auch Margret Boveri und Karl Korn. Boveri betont in ihren Memoiren „Wir lügen alle“, das BT habe „in den Augen der Nationalsozialisten […] innenpolitisch, vor allem in der Judenfrage, eine Sonderstellung“ eingenommen, „die ihnen ein ständiges Ärgernis war“. Tatsächlich sei die Bewegungsfreiheit jedoch „so minimal“ gewesen, „dass jeder Nicht-Nationalsozialist sie als non existent betrachten musste“ (Boveri 1965: 256). Dennoch sah sich das Berliner Tageblatt auf den täglichen Reichspressekonferenzen gemeinsam mit der Frankfurter Zeitung fast pausenlos der Kritik ausgesetzt. Bis einschließlich 1937 zog das BT ganze 114 Beschwerden auf sich (Koszyk 1972: 375).

Ende 1936 gab Scheffer den Chefredakteursposten auf. Boveri zufolge war es kein einzelnes Ereignis, das seinen Rücktritt auslöste. Scheffer habe vielmehr die stetig zunehmende „Einengung der Verfügungs- und Schreibmöglichkeiten als unerträglich“ empfunden (Boveri 1965: 592). Sein Nachfolger wurde der SS-Sturmführer Erich Schwarzer. Goebbels notierte am 15. Dezember 1936 in seinem Tagebuch: „Schwarzer als Chefredakteur im B.T. eingesetzt. Ihm seine Aufgaben klargemacht. Nicht allzu radikal, aber stärker für den neuen Staat eintreten. Er wird seine Aufgabe meistern. Jedenfalls hat er den starken Willen dazu. Er geht vollkommen aufgekratzt an die Arbeit.“ (in: Fröhlich 1987/Bd. 2: 756 f.). Über das Tageblatt erging nun binnen kurzem eine Flut von 6.000 Abo-Kündigungen. Am 31. Januar 1939 musste die Zeitung ihr Erscheinen schließlich einstellen: „Nüchterne betriebswirtschaftliche Kalkulationen, nicht politische Überlegungen, hatten den Ausschlag gegeben“ (Frei/Schmitz 1999: 48).

Die andere bedeutende große Zeitung der Weimarer Republik, die Frankfurter Zeitung (FZ), hatte eine konservativ-liberale Ausrichtung und wurde schon bald nach der Machtübernahme von Max Amann über eine Eher-Holding-gesellschaft erworben. [14] Das Blatt, das für die Nationalsozialisten in erster Linie den Zweck der „Auslandswirkung“ erfüllte, wurde von Rudolf Kircher geleitet. Goebbels notierte zwar schon einmal erregt, die Frankfurter Zeitung sei ein „jüdisches Drecksblatt“ und müsse „möglichst bald verschwinden,“ schrieb aber anderntags, „auflassen“ wolle er sie „noch nicht, da sie soviel in ausländischen Geschäftskreisen gelesen wird“ (in: Fröhlich 1987/Bd. 3: 415 u. 417). Die FZ befand sich in dem fortwährenden „Dilemma, durch Zeichen von Opposition im Innern die Öffentlichkeit des Auslands über den kriminellen Charakter des Regimes zu täuschen“ (Gillessen 1986: 536).

Der Frankfurter Zeitung war es erlaubt, über Dinge zu berichten, die einem NS-Parteiblatt versagt waren. Der „politisch wertvollste Beitrag“ der Zeitung war „darin zu sehen, dass sie im Feuilleton unbeirrt die Werte der Humanität darstellte und im politischen Teil nicht aufhörte, so genau und nüchtern wie nur möglich über die Vorgänge im eigenen Land und in der Welt zu berichten. Die Zeitung bot gute Information bis zum letzten Tag ihrer Existenz“ (Gillessen 1986: 537). Journalistische Mitarbeiter wie Fritz Sänger, Dolf Sternberger und Otto Suhr boten einer nicht-nationalsozialistischen Leserschaft „jahrelang eine gewisse intellektuelle Flucht“ (Frei/Schmitz 1999: 50).

Grundsätzlich war man darum bemüht, nationalsozialistisches Vokabular aus der Zeitung herauszuhalten. Agenturberichte wurden meist sprachlich bereinigt. Dies brachte der Zeitung jedoch auch den Vorwurf ein, eine besonders tückische, weil weniger penetrante und damit schwerer erkennbare Form gelenkter Publizistik darzustellen und somit „ein besonders korruptes Propagandaorgan der Nationalsozialisten“ zu sein (vgl. Gillessen 1986: 530). Letztlich diente die Frankfurter Zeitung auch der „Festigung des totalitären Systems“ (Sösemann 1985: 203). Die Zeitung erschien bis zum Jahr 1943 und wurde dann aufgrund einer Einstellungsverfügung geschlossen.

IV.2 Die bürgerlich-konservative Presse

Der größte Teil der deutschen Presse zählte zum Zeitpunkt der Machtübernahme zum bürgerlich-konservativen Lager, darunter die eher „unpolitische“ Generalanzeiger-Presse, die „seriösen“ städtischen Tageszeitungen, deren Boulevard-Ableger und nicht zuletzt die vielen mittleren und kleinen Provinzblätter. Marktbeherrschend war der Scherl-Verlag unter Leitung von Alfred Hugenberg. Der Verlag gab rund fünfzig Provinzzeitungen heraus und besaß mehrere Materndienste, die Nachrichten-Agentur Telegraphen-Union sowie die Universum Film AG (UFA), die größte Spielfilm- und Wochenschau-Fabrik des Reichs. Hugenberg stellte seine publizistischen Mittel bereits ab 1928 „voll in den Dienst der reaktionären, antirepublikanischen Propaganda“ (Frei/ Schmitz 1999: 55). Die Auswirkungen waren enorm, denn allein über die Telegraphen-Union und deren Tochterunternehmen belieferte Hugenberg etwa die Hälfte aller deutschen Zeitungen mit seinem „tendenziösen Nachrichtenmaterial“. Die Schützenhilfe für Hitler wurde Hugenberg jedoch wenig gedankt: Bis auf den Scherl-Verlag musste er in den Jahren 1933 bis 1935 sämtliche seiner Medien abtreten. 1944 verkaufte Hugenberg auch den Scherl-Verlag an die Nationalsozialisten.

Politisch „gemäßigt“ waren in den ersten Monaten nach der Machtübernahme zunächst u.a. die Münchner Neuesten Nachrichten (MNN), die Bremer Nachrichten, das Hamburger Fremdenblatt, der Hannoversche Kurier, die Kölnische Zeitung, die Leipziger Neuesten Nachrichten, die Magdeburgische Zeitung, der Fränkische Kurier, die Schlesische Zeitung und das Stuttgarter Neue Tageblatt. Viele dieser Zeitungen wollten „weitermachen, „ohne mitzumachen“ (Frei/Schmitz 1999: 62), mussten mit dieser Absicht jedoch über kurz oder lang scheitern: Der Eher-Verlag erwarb nach und nach auch diese Blätter und brachte sie „auf Linie“.

Aus dem nationalsozialistischen Zeitungseinerlei stach lediglich die national-konservative Deutsche Allgemeine Zeitung (DAZ) ein wenig hervor. Dies war vor allem auf die anerkannte außenpolitische Berichterstattung des Blattes zurückzuführen. 1933 hatte Karl Silex die Leitung der zunächst unbeirrt kritischen DAZ übernommen. Die Zeitung sollte für eine gewisse Pluralität sorgen und genoss deshalb offizielle Duldung. Die DAZ befand sich „unter Goebbels‘ höchstpersönlicher Aufsicht“ (Frei/Schmitz 1999: 60) und erfüllte, ähnlich der Frankfurter Zeitung, eine Art Sprachrohrfunktion für das Regime. Karl Silex formuliert in seinen Memoiren die selbstkritische Frage: „Wie war dem Vorwurf zu begegnen, dass angesehene Journalisten oder Künstler einfach durch Fortsetzung ihrer Tätigkeit im Dritten Reich dazu beitrugen, die neuen Machthaber international salonfähig zu machen […], dass wir mit dieser unserer Tätigkeit den Bemühungen des Hitlerregimes, sein wahres Wesen oder Unwesen zu tarnen, Vorschub leisteten […], dass wir mit unserer Tätigkeit das deutsche Volk über das hinwegtäuschten, was mit ihm geschah? (Silex 1968: 141).

Die Journalistin Ursula von Kardorff, die ab dem Jahre 1938 bei der DAZ volontierte, hob in ihren Memoiren vor allem den freiheitlichen Geist der Leserschaft hervor: „Ich finde, man kann das Klima eines Gleichgesinnten schnell erspüren. Er sagt nicht ‚der Führer‘, sondern Hitler, er sieht die Lage im Ostien skeptisch an, er liest die Frankfurter Zeitung oder die DAZ“ (Kardorff 1992: 83). Neben Ursula von Kardorff verrichteten zahlreiche andere bekannte Journalisten bei der DAZ ihr Handwerk, darunter Elisabeth Noelle, Hans Zielinski und Fritz G. Starke. Die Zeitung erschien bis in die letzten Kriegstage und musste ihr Erscheinen erst am 24. April 1945 einstellen.

IV.3 Konfessionelle Zeitungen und Zeitschriften

Der „Nationale Aufbruch“ stieß vor allem bei der evangelischen Presse auf nahezu einhellige Begeisterung. Die Kirchliche Rundschau für Rheinland und Westfalen etwa jubelte im Februar 1933: „Ein Frühlingserwachen geht durch unser Volk. […] Der deutsche Protestantismus und der deutsche Nationalismus waren gespalten und zerbrochen. Und nun soll die alte Zwietracht begraben sein. […] Wir rufen Deutschland! Deutschland! Heil!“ (zit. nach Frei/ Schmitz 1999: 69). Der Antisemitismus in der evangelischen Publizistik reichte von der Rechtfertigung des Judenboykotts am 1. April 1933 bis zur Behauptung einer „rassischen Überlegenheit“ der Deutschen gegenüber den Juden.

Kritischer verhielt sich die katholische Presse. Zeitschriften wie die Deutsche Rundschau, der Gral, Stimmen der Zeit und Hochland boten in den ersten Jahren nationalsozialistischer Herrschaft der kirchlichen Opposition ein begrenztes Forum, mit der Zeit aber wurden auch diese Blätter immer unkritischer. Zudem efüllte die katholische Presse für die nationalsozialistischen Machthaber die Funktion, ein nicht allzu gefährliches oppositionelles Potenzial zu kanalisieren. Solange „keine Gefahr bestand, dass solche Zeitschriften aus ihrem konfessionellen oder bildungsbürgerlichen Ghetto ausbrechen würden, bedurfte es nicht nur keines Verbots, sondern erwiesen sie sich im Sinne einer ‚Ventilfunktion‘ sogar als nützlich“ (Frei/Schmitz 1999: 68).

Nach Inkrafttreten der so genannten Amann-Anordnungen im Sommer 1935 begann Reichspresseleiter Rolf Rienhardt mit der Zerschlagung des Geflechts konfessioneller Tageszeitungen. [15] Vor allem die katholischen Blätter waren betroffen: Sämtliche größeren ehemals katholisch-konservativen Zeitungen wurden der zum Eher-Konzern gehörenden Holdinggesellschaft Phönix GmbH einverleibt (Koszyk 1972: 400 f.). Auf „unauffällige Weise“ geriet damit „- nach den großen jüdischen Verlagskonzernen und noch vor dem Gros der bürgerlich-konservativen Verlagsanzeiger – die ehemals ‚schwarze‘ Presse in den Besitz der braunen Herren“ (Frei/Schmitz 1999: 66).

Rienhardt erhoffte sich durch die Einverleibung der konfessionellen Blätter eine „propagandistische Beeinflussung der Volkskreise, die durch die Parteipresse nicht erfasst“ werden konnten (zit. nach Frei/Schmitz 1999: 67). Die konfessionellen Kreise waren jedoch nie vollständig unter Kontrolle zu bringen: Eine von Joseph Goebbels gegen katholische Priester und Mönche angezettelte Hetzkampagne erzielte letztlich kaum Wirkung, weil die katholische Bevölkerung der Propaganda gegenüber erstaunlich resistent blieb. [16]

IV.4 Die illustrierte Massenpresse

Die illustrierte Massenpresse vollzog nach der Machtübernahme zunächst keinen größeren Kurswechsel. Kommerziell Erfolgreiches veränderten die Naitonalsozialisten vorsichtig, tiefergehende strukturelle Einschnitte blieben der Öffentlichkeit verborgen. Auflagenstärkste Illustrierte blieb mit Abstand die Berliner Illustrirte Zeitung (BIZ). Die Zeitschrift konnte ihre Auflage bis Kriegsbeginn sogar noch von 1,1 Mio. Exemplaren im Jahr 1933 auf 1,5 Mio. Exemplare steigern. Sie druckte damit fast doppelt soviele Exemplare wie das Parteiblatt Illustrierter Beobachter (Frei/Schmitz 1999: 75).

Politisch hielt sich die BIZ zurück. Die Zeitschrift sorgte jedoch für die „private“, halböffentliche Darstellung der NS-Größen. Da wurde etwa Joseph Goebbels mit Töchterchen Helga am Ostseestrand gezeigt, Hermann Göring mit seiner Braut nach der kirchlichen Trauung oder der Führer lachend am Telefon (vgl. Frei/Schmitz 1999: 76). Ende April 1933 zeigte die BIZ Bilder aus einem Konzentrationslager: Häftlinge beim Sport, beim Zeitungslesen und beim Kaffee. Die Unterzeile lautete: „In der Arbeitspause – Unterhaltungen sind gestattet“. Hier wurde eine Harmonie vermittelt, welche die Realität verdecken sollte. Klar ist somit, dass auch Illustrierte wie die BIZ dem Regime als „Propaganda-Vehikel ersten Ranges“ dienten (Frei/Schmitz 1999: 77).

Die illustrierte Massenpresse war jedoch nicht immer so leicht zu instrumentalisieren. Während beispielsweise die NS-Frauenzeitschriften puristisch rückwärtsgewandt über geschminkte Frauen herzogen und eine „natürliche Weiblichkeit“ propagierten, präsentierten Zeitschriften wie Die Dame, die Elegante Welt und die neue linie weiterhin Kosmetik-Tips und elegante Mode. Die Modernisierungstendenzen der Weimarer Republik ließen sich „weder einfach ignorieren noch gar abschaffen“ (Frei/Schmitz 1999: 72). Allein im Deutschen Verlag, dem ehemaligen Ullstein-Verlag sowie im Universalverlag W. Vobach & Co erschienen Ende 1938 Frauenzeitschriten mit einer Gesamtauflage von über 2,3 Mio. Exemplaren. Die neu gegründete NS-Frauenwarte konnte ihre Auflage allerdings von knapp 300.000 Exemplaren im Jahr 1934 auf immerhin 1,4 Mio. im Jahr 1939 steigern (Frei/Schmitz 1999: 72).

Zu Beginn des Weltkriegs wurde die illustrierte Massenpresse „Medium wie Spiegel der langfristig betriebenen propagandistisch-psychologischen Mobilmachung für den Zweiten Weltkrieg“ (Unger 1984: 271). Für eine enge Einbindung der Illustrierten und der Zeitschriften in die Kriegspropaganda sorgte auch der 1939 gegründete Zeitschriften-Dienst. Detaillierte Anweisungen sprachregelten nicht nur die „großen“ Themen, sondern auch banal erscheinende Alltagsfragen. Auch hier fiel den Frauenzeitschriften eine besondere Rolle zu: „Sparplädoyers, Verbrauchslenkung und moralische Stärkung“ wurden deren „wichtigste Aufgaben“ (Frei/Schmitz 1999: 81).

IV.5 Die nationalsozialistische Parteipresse

Die NS-Tagespresse hatte zum Zeitpunkt der Machtübernahme eine Auflage von nicht mehr als 750.000 Exemplaren. Beginnend mit dem Jahr 1933 fand jedoch, begünstigt durch Zwangsverkäufe und Enteignungen, ein Aufschwung statt: 1935 existierten bereits rund 100 NS-Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von etwa 3,9 Mio. Exemplaren (Koszyk 1972: 385).

Das inhaltliche Niveau der nationalsozialistischen Parteipresse war in der Regel eher niedrig, der Tonfall rüde. Einige Zeitungen machten mit ihrer Stimmungsmache selbst vor der Partei nicht halt. Joseph Goebbels notierte am 6. Dezember 1936 in seinem Tagebuch, er werde jetzt schärfer gegen „die Radaupresse“ vorgehen. Und weiter: „Die n.s. Presse stänkert zuviel. Daher manchmal die miese Stimmung in der Partei. Das muss aufhören. Da sucht einer den anderen zu überbieten. S.A., S.S. und H.J. Ich werde einschreiten“ (in: Fröhlich 1987/Bd. 2: 700). Vor allem die Zeitungen der Parteiorganisationen wie das Schwarze Korps der SS, der SA-Mann, der Arbeitsmann oder die Deutsche Arbeitsfront vertraten teils „konkurrierende Sonderinteressen“ (Frei/Schmitz 1999: 96) und waren entsprechend schwer unter Kontrolle zu bringen. Auf dem Lande waren es oft die Gauleiter, die durch persönliche Einflussnahme auf die Regionalzeitungen ihre Stellung stärken wollten.

In der Regel aber efüllte die NS-Presse ihre Funktion als Instrument von Partei und Regierung. Absatzstärkste Tageszeitung im Reich war der Völkische Beobachter. Die Auflage der Zeitung kletterte von 130.000 Exemplaren im Jahre 1933 auf 1,7 Mio. 1944. Der Untertitel des Völkischen Beobachters lautete „Kampfblatt der national-sozialistischen Bewegung Großdeutschlands“, und „das war Programm“ (Frei/Schmitz 1999: 100). Die Zeitung verbreitete eine hemmungslose Propaganda, die von ständigen Übersteigerungen und Verzerrrungen gekennzeichnet war.

Erfolg hatte auch das Schwarze Korps, das mit einer Auflage von 750.000 Exemplaren im Jahr 1944 zur zweitgrößten Wochenzeitung aufstieg. Die Zeitschrift war ein „Hetzblatt“ (Frei/Schmitz 1999: 102), führte gnadenlose Kampagnen gegen die katholische Kirche und war offen antisemitisch. Nach der Reichspogromnacht 1938 etwa spekulierte das Blatt unter der Überschrift „Juden, was nun?“ darüber, was geschehen nun könne, da die Juden durch die ihnen auferlegten Zwangsmaßnahmen schließlich „allesamt […] in die Kriminalität absinken“ würden: „Im Stadium einer solchen Entwicklung ständen wir daher vor der harten Notwendigkeit, die jüdische Unterwelt genauso auszurotten, wie wir in unserem Ordnungsstaat Verbrecher eben auszurotten pflegen: mit Feuer und Schwert. Das Ergebnis wäre das tatsächliche und endgültige Ende des Judentums in Deutschland, seine restlose Vernichtung“ (zit. nach Frei/Schmitz 1999: 102). Die auch in diesem Blatt artikulierte Kritik am Nationalsozialismus bezog sich ausschließlich auf ein zu wenig revolutionäres nationalsozialistisches Handeln – „und das war durchaus im Sinne von Hitler und Himmler,“ die „beide keine Freunde von Bürokratie und Justiz“ waren (Frei/ Schmitz 1999: 103).

Das übelste NS-Blatt war jedoch der Stürmer, der nur ein Thema kannte: den Kampf gegen die Juden. Die Leitartikel waren radikale Appelle zur Vernichtung. Der Redakteur Karl Holz schrieb etwa im September 1938, der Jude sei kein Mensch, sondern ein „Bazillus, ein Schmarotzer, ein Schädling, ein Tunichtgut, ein Krankheitserreger, der im Interesse der Menschheit beseitigt werden muss“ (zit. nach Frei/Schmitz 1999: 106). Selbst der heftige Antisemit Joseph Goebbels bemerkte einmal, das Blatt sei „ja manchmal bloße Pornographie“ (vgl. Fröhlich 1987/Bd. 2: 511) und monierte des öfteren, die Zeitschrift müsse „den Ton ändern“. Tatsächlich wurde das Blatt mehrmals kurz verboten, und zu den olympischen Spielen im Sommer 1936 in Berlin verschwand der Stürmer aus dem Straßenhandel, da man negative Reaktionen aus dem Ausland fürchtete. Das tat dem Erfolg des Stürmer jedoch keinen Abbruch: Die Zeitschrift, die sich im Privatbesitz des fränkischen Gauleiters Julius Streicher befand, konnte ihre Auflage von 20.000 Exemplaren im Jahr 1933 auf 400.000 im Jahr 1935 steigern.

IV.6 Die Wochenzeitung „Das Reich“

Die NS-Wochenzeitung Das Reich wurde 1940 gegründet. Die Zeitung war ein Projekt von Reichspresseleiter Rolf Rienhardt und sollte dazu beitragen, das ramponierte Ansehen der Presse in der Öffentlichkeit wieder aufpolieren. Im Laufe der Jahre waren die Zeitungen immer gleichförmiger und langweiliger geworden; nun sollte ein dem Nationalsozialismus verhaftetes, jedoch „im journalistischen Niveau alle anderen NS-Publikationen weit übertreffende Zeitung“ Abhilfe schaffen (Martens 1972: 215). „Tenor: Mehr Freiheit und Lockerung“, notierte Goebbels in seinem Tagebuch (in: Fröhlich 1987/Bd. 3: 414). [17] In gewisser Weise war das Reich eine für die Presse der NS-Zeit „atypische“ Erscheinung (Abel 1968: 73) und trat als „Phänomen“ in der Pressepolitik des totalitären Regimes hervor (Martens 1972: 218).

Die Zeitung hatte schon bald eine Auflage von über einer halben Million Exemplaren. Regelmäßiger Leitartikler war „Reichsminister Dr. Goebbles“, der für seine Beiträge wöchentlich 2.000 Reichsmark kassierte (Frei/Schmitz 1999: 110). Goebbels vermerkte des öfteren in seinem Tagbuch, sein Ausatz habe wieder große Beachtung gefunden, wofür er jedoch durch zusätzliche Ausstrahlung im Rundfunk nicht zuletzt selbst sorgte. Hauptschriftleiter des Reichs war Eugen Mündler, das innenpolitische Ressort wurde zunächst von Peter Neumann, später von Elisabeth Noelle geleitet. Mitarbeiter der Zeitung waren unter anderem die ehemaligen Tageblatt-Redakteure Karl Korn und Margret Boveri sowie Theodor Heuss und Werner Höfer.

Die Zeitung leistete zwar keine Kritik am Nationalsozialismus, war aber stets gut informiert. Die Tatsache, dass Berichte aus dem Reich vom Propagandaministerium häufig gerügt und anderen Zeitungen eine Übernahme der entsprechenden Informationen untersagt wurde, zeigt, „dass das Blatt gründlicher und detaillierter als andere informierte“ (Frei/Schmitz 1999: 113). Dennoch konnten die Redakteure keinesfalls frei berichten. Manche bauten deshalb „gezielt ‚Rückversicherungen‘ in ihre Artikel ein, übernahmen rhetorische Muster der Propaganda, verwandten ‚wasserdichte‘ Vokabeln und passten sich auf diese Weise den vermuteten oder wirlichen Anforderungen an. Andere glaubten standhaft zu sein, und wieder andere übernahmen aus innerer Überzeugung die Muster der NS-Propaganda.“ (Frei/Schmitz 1999: 114).

Von „überlegtem, systematisch betriebenen Widerstand, von innerer Emigration und durchkalkulierter Camouflage“ kann beim Reich jedenfalls „nicht gesprochen werden“ (Martens 1972: 216). In der Zeit ab 1943 forderten zudem die „erdrückenden Forderungen des totalen Krieges ihren Tribut“ und die Zeitung wurde in zunehmendem Maße zum Propagandainstrument des Hitler-Regimes (Martens 1972: 218). Reich-Redakteur Carl Linfert gestand später selbstkritisch ein, im Grunde habe das Reich einen „Nationalsozialismus im Frack“ propagiert (zit. nach Frei/Schmitz 1999: 119). Als Zeitung mit Niveau leistete das Reich „einen nicht geringen Beitrag zur Aufwertung und Stabilisierung des Staates im Inland und möglicherweise zur Verharmlosung der Ausmaße an Schrecken und Terror des Hitler-Regimes im Ausland“ (Martens 1972: 217).

IV.7 Exkurs: Rundfunk und Wochenschau

Neben der Zeitungs- und Zeitschriftenpresse nutzten die nationalsozialistischen Machthaber vor allem den Rundfunk als Instrument der Meinungslenkung. Da die Reichsrundfunkgesellschaft (RRG) seit 1932 verstaatlicht war, konnte sie nach der Machtübernahme leicht unter Kontrolle gebracht werden. Bis Juli 1933 wurden die bis dahin selbständigen regionalen Rundfunkgesellschaften unter Goebbels‘ Kontrolle gestellt, am 1. April 1934 wurden sie offiziell zu „Reichssendern“ umgewandelt.

Der Nationalsozialismus drückte dem noch jungen Medium „bis ins Detail […] seinen Stempel auf“ (Frei/Schmitz 1999: 83) und förderte die Verbreitung des Rundfunks durch die Einführung des preiswerten Volksempfängers „VE 301″ im Sommer 1933. [18] Die Hörfunk-Nachrichten lieferte der „Drahtlose Dienst“ direkt aus der Presseabteilung des Propagandaministeriums, daneben wurden zahlreiche Reden von nationalsozialistischen Parteigrößen übertragen. Der Rundfunk erwies sich somit als ein „geradezu ideales Instrument zur Herstellung einer Identität von Führung und Gefolgschaft“ (Frei/Schmitz 1999: 85). Im Jahre 1938 gab es im Deutschen Reich bereits 9 Mio. Rundfunkteilnehmer. Der im selben Jahr auf den Markt gebrachte „Deutsche Kleinempfänger“ zum Preis von 35 Mark, im Volksmund „Goebbels-Schnauze“ genannt, trieb die Zahl der Anmeldungen bis 1941 noch einmal auf 16 Mio. hoch.

Dennoch hatte das neue Medium eine Schwachstelle: Es mangelte ihm an Glaubwürdigkeit. Goebbels hatte das früh erkannt und bereits 1933 die Parole ausgegeben: „Nur nicht langweilig werden. Nur keine Öde. Nur nicht die Gesinnung auf den Präsentierteller legen“ (zit. nach Frei/Schmitz 1999: 85). Um die Akzeptanz beim Publikum zu erhöhen, wurde der Anteil der politisch-propagandistischen Sendungen während des Krieges auf 16 Prozent heruntergesetzt und verstärkt Musik gesendet (Frei/Schmitz 1999: 88). Auch die anfangs verpönte Unterhaltungs- und Tanzmusik wurde der Hörerschaft nun nicht mehr vorenthalten. So war der Rundfunk zwar kein reines Instrument gezielter politischer Erziehung und Indoktrination mehr, doch er konnte „den Durchhaltewillen der Bevölkerung durch eine ablenkende und einlullende Berieselung mit Unterhaltung […] verstärken“ (Longerich 1993: 302). Allen Bemühungen der Machthaber zum Trotz wurden jedoch verstärkt die verbotenen Auslandssender eingeschaltet, was sich auch in den Stimmungsberichten des Sicherheitsdienstes (SD) der SS niederschlug (Frei/Schmitz 1999: 90).

Neben dem Rundfunk nutzten die Nationalsozialisten noch ein weiteres elektronisches Medium zur Indoktrination der Bevölkerung: Die deutsche Wochenschau, die in zahlreichen Filmtheatern vor dem Hauptfilm zur Aufführung gebracht wurde. Die Wochenschau unterstand der Filmabteilung des Reichspropagandaministeriums und löste die Presse allmählich in ihrer „Vormachtstellung bei der Beeinflussung des öffentlichen Bewusstseins“ ab (Koszyk 1972: 435). 1942 erreichte sie wöchentlich bereits um die 20 Mio. Kinozuschauer und wurde so während des Krieges „endgültig zu einem erstrangigen Propagandamittel“ (Frei/Schmitz 1999: 92). Über 300 Filmberichterstatter arbeiteten in Heer, Marine und Luftwaffe für die Wochenschau. Das Ergebnis waren sorgsam inszenierte Filmwerke mit beträchtlicher Propagandawirkung, die beim Publikum großen Anklang fanden. Die immer wahrscheinlicher werdenende Kriegsniederlage konnte jedoch auch durch die Wochenschau nicht kaschiert werden: Je schlechter die Lage wurde, desto mehr informierten sich die Deutschen bei den Auslandssendern, durch Feldpostbriefe und bei den Fronturlaubern (Frei/Schmitz 1999: 93).

V. Möglichkeiten publizistischer Opposition

Zwar waren in den ersten Jahren nach der „Machtergreifung“ in einigen Zeitungen noch selbstkritische Äußerungen über die Rolle der Presse im Nationalsozialismus zu finden, doch spätestens nach den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 gab es „keine Chance mehr für eine überzeugende publizistische Opposition in Deutschland“ (Sösemann 1985: 204). Offenes Opponieren schied aus, „wenn nicht die Existenz der Zeitung und die persönliche Freiheit des Schreibenden gefährdet werden sollten“ (Frei/Schmitz 1999: 129).

Dennoch quittierte 1933 kaum ein Journalist seine Arbeit. Die Erklärung, auch unter den neuen Umständen weiterhin Zeitung machen und damit letztlich der alten Leserschaft dienen zu wollen, zieht sich „unterschwellig wie ein roter Faden durch die pressepolitische ‚Metakommunikaiton‘ der überregionalen Blätter“ (Frei/Schmitz 1999: 124). Karl Silex schreibt unbekümmert in seinen Memoiren, „kein vernünftiger Mensch“ habe damals von ihm und der DAZ „einen Frontalangriff auf das Nazi-Regime erwartet“. Eine „absolute journalistische Unabhängigkeit im demokratischen Sinne“ habe der journalistische Beruf „nicht mehr und nicht weniger für sich in Anspruch nehmen“ können „als irgendein anderer Beruf“ (Silex 1968: 160 f.).

Einige Journalisten wichen ins scheinbar Unpolitische aus oder gingen in die so genannte „innere Emigration“. Dass sie damit auch aus der Verantwortung flüchteten, erkannten viele Protagonisten von damals erst im nachhinein. Margret Boveri etwa räumt in ihren Erinnerungen an die Zeit beim Berliner Tageblatt ein, der „Rückzug in das, was wir mit einiger Selbstzufriedenheit die ‚innere Emigration‘ nannten“, sei „falsch“ gewesen. Eine solche Haltung hätte nur dann sinnvoll sein können, wenn „innere und äußere Emigration in Kürze […] in Deutschland wieder vereint sein würden“. Da dies aber nicht der Fall gewesen sei, hätte man den offensiven Kampf mit den Nazis aufnehmen müssen (Boveri 1965: 710 ff.).

Gerade der Blick in die Memoirenliteratur zeigt jedoch, dass das Schreiben „zwischen den Zeilen“, das Katz-und-Maus-Spiel, auf viele Journalisten einen gewissen Reiz ausübte. Den grauen Alltag, die überwiegend trostlosen Arbeitsbedingungen hingegen befinden die meisten Journalisten keiner Erwähnung wert. Fritz Sänger, seit 1935 Redakteur bei der Frankfurter Zeitung, schreibt in seiner Memoiren-Sammlung „Verborgene Fäden“: „Mir war durchaus klar, dass über eine lange Zeit hin eine Fülle von Kompromissen, von Ausweichmanövern, von gewagten Umwegen notwendig werden würde. Mich reizte die Chance, ein Gegenspiel gegen die Mächtigen mitspielen zu dürfen. […] In verständigem Einvernehmen sorgte jeder damals dafür, dass er sich nicht beschmutzte, aber auch, dass die Zeitung erhalten blieb und er selbst. Der Tätige ist stets wichtiger als der Tote oder auch nur der Gefesselte“ (Sänger 1978: 49 f.). Sänger ist nur einer von vielen Journalisten, die im Rückblick vor allem jene Aspekte der eigenen Tätigkeit hervorheben, die tatsächlich oder vermeintlich nicht konform mit den postulierten Pflichten und den Erwartungen der Machthaber einher gingen. Doch auch Sänger „benutzte NS-Versatzstücke, um sich zu tarnen“ und machte sich damit „die Hände schmutzig“ (Köhler 1989: 258).

Die tatsächlichen Möglichkeiten publizistischer Opposition waren mimimal. Ein brisantes Thema konnte beispielsweise aufgegriffen werden, noch bevor eine entsprechende inhaltliche Anweisung dazu erlassen wurde. Auch durch stilistische Nuancen wie den Gebrauch des Konjunktivs oder durch Ironie konnte Kritik vermittelt werden. Einige Journalisten benutzten zur Tarnung literarische Umschreibungen oder nahmen Bezug auf ein historisches Beispiel. Rudolf Pechel etwa kritisierte das Dritte Reich 1937 unter dem Titel „Sibirien“ in einer nur Eingeweihten als solche erkennbaren Abrechnung mit dem Regime. Scheinbar über die Sowjetunion schreibend, charakterisierte er das „Lumpenpack“ im eigenen Land: „Sie sind die Un- und Untermenschen schlechthin. Die Auslese erfolgt nach den Merkmalen der moralischen und intellektuellen Stupidität, der Bewährung in Unterdrückung, Ausplünderung und Denunziation und der blinden Ergebenheit gegenüber der Macht, für die gemordet zu haben eine besondere Auszeichnung bedeutet.“ (zit. nach Frei/Schmitz 1999: 130).

Ein solcher „Widerstand zwischen den Zeilen“ war jedoch die große Ausnahme und fast ausschließlich im Feuilleton einiger überregionaler Blätter wie der Frankfurter Zeitung, dem Berliner Tageblatt, dem katholischen Hochland oder der Deutsche Rundschau zu finden. Publizistischer „Widerstand“ war somit „die Sache einer wissenden Minderheit“ (Frei/Schmitz 1933). Marcel Reich-Ranicki kann nur beigepflichtet werden, wenn er konstatiert, was der Zensor nicht verstand, habe das Publikum erst recht nicht verstehen können: „Es wäre absurd zu vermuten, hier und da sei es gelungen, die Nazis übers Ohr zu hauen“ (Reich-Ranicki 1999: 114). [19]

Zudem nutzte der nationalsozialistische Propagandaapparat die in einem tolerierbaren Umfang unbequemen Zeitungen bewusst als Instrumtent der Meinungslenkung: Zum Beispiel, um dem Vorwurf der publizistischen Uniformität entgegentreten zu können und das Bild des nationalsozialistischen Deutschland im Ausland zu verbessern. Insgesamt muss wohl eingestanden werden, dass es „publizistischen Widerstand im strengen Sinne“ in der allgemein zugänglichken Presse nicht geben konnte, sondern lediglich „in Form von illegalen Druckschriften und Flugblättern“ (Frei/Schmitz 1999: 135).

VI. Fazit

Die Ausführungen im ersten Teil der Arbeit haben deutlich gemacht, dass die Presse im Dritten Reich trotz der zahlreichen Lenkunsmaßnahmen keinesfalls total und lückenlos gleichgeschaltet werden konnte. Die Gründe hierfür liegen zum einen in der Kompliziertheit des Propagandaapparats und in den persönlichen Differenzen innerhalb der Führungsspitzen. Da neben dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda als der wichtigsten Institution der Presselenkung und der Reichspressestelle der NSDAP noch zahlreiche andere Ministerien und Institutionen eigene Pressestellen unterhielten und weil das verantwortliche Personal sich dabei teilweise gegenseitig in die Quere kam, ergaben sich geringe Spielräume, die von den Journalisten zur begrenzt kritischen Berichterstattung genutzt werden konnten.

Daneben sahen sich die nationalsozialistischen Machthaber sowohl innen- als auch außenpolitisch dazu gezwungen, eine gewisse Pluralität der Zeitungslandschaft aufrechtzuerhalten – natürlich in erster Linie, um sich unangreifbar zu machen. Daraus jedoch zu schließen, unter der NS-Herrschaft sei eine wirkungsvolle publizistische Opposition möglich gewesen, wäre verfehlt. Im Gegenteil: Durch die schrittweise Einbeziehung der bürgerlichen Presse in das Gesamtsystem, wie im zweiten Teil der Arbeit nachgewiesen, wurden Verleger und Journalisten kontinuierlich zu Komplizen des Regimes. Und war das Rückgrat erst einmal gebrochen, war es für die zuständigen Stellen ein leichtes, auch diese bürgerlichen Journalisten zu Handlangern der Gesamtpropaganda zu machen. Die trügerische Hoffnung, die eigene Meinung in ihrer Substanz wahren und auch weiterhin öffentlich vertreten zu können, führte zur nicht mehr umkehrbaren Verstrickung in den Herrschaftsapparat des Nationalsozialismus.

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass wirkungsvoller Widerstand gegen das Regime auf der Bühne der Öffentlichkeit – in der Presse – so gut wie ausgeschlossen war. Dies sollte jedoch kein Grund sein, die journalistische Arbeit im Dritten Reich hochzujubeln, wie es in der Memoiren-Literatur gang und gebe ist. Denn auch dies ist klar: Wer im Dritten Reich als Journalist weiterarbeiten durfte und dies auch tat, konnte das Regime nicht wirkungsvoll bekämpfen – selbst wenn er gewollt hätte. Und den Mut, den Beruf an den Nagel zu hängen, hatten nach der Machtübernahme nur die wenigsten. Zahlreiche der im Dritten Reich aktiven Journalisten arbeiteten auch im Nachkriegs-Deutschland nahtlos und ohne viel Selbstkritik weiter – es waren ja angeblich immer nur die Umstände gewesen, die am kritischen Schreiben gehindert hatten. Wirkliche Aufarbeitung leisteten die Wenigsten. Eine der großen Ausnahmen ist Margret Boveri, die bereits im Titel ihrer Memoiren anprangert, was viele ihrer Kollegen nicht eingestehen wollen: „Wir lügen alle“.

VII. Bibliographie

VII.1 Verzeichnis der verwendeten Quellen

Boveri, Margret, 1965: Wir lügen alle. Eine Hauptstadtzeitung unter Hitler, Freiburg im Breisgau.

Fröhlich, Elke (Hrsg.), 1987: Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente. Teil I: Aufzeichnungen 1924-1941. 4 Bände, München.

Fröhlich, Elke (Hrsg.), 1993-1996: Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Teil II: Diktate 1941-1945. 15 Bände, München.

Kardorff, Ursula von, 1992: Berliner Aufzeichnungen 1942-1945, München.

Reich-Ranicki, Marcel, 1999: Mein Leben, Stuttgart.

Sänger, Fritz, 1975: Politik der Täuschungen. Mißbrauch der Presse im Dritten Reich, Wien.

Sänger, Fritz, 1978: Verborgene Fäden. Erinnerungen und Bemerkungen eines Journalisten, Bonn.

Silex, Karl, 1968: Mit Kommentar. Lebensbericht eines Journalisten, Frankfurt am Main.

Wulf, Joseph (Hrsg.), 1983: Presse und Funk im Dritten Reich. Eine Dokumentation, Frankfurt am Main.

VII.2 Verzeichnis der verwendeten Literatur

Abel, Karl-Dietrich, 1968: Presselenkung im NS-Staat. Eine Studie zur Geschichte der Publizistik in der nationalsozialistischen Zeit, Berlin.

Bramstedt, Ernest Kohn, 1971: Goebbels und die nationalsozialistische Propaganda. 1925-1945, Frankfurt am Main.

Frei, Norbert / Schmitz, Johannes, 1999: Journalismus im Dritten Reich, München.

Gillessen, Günther, 1986: Auf verlorenem Posten. Die Frankfurter Zeitung im Dritten Reich, Berlin.

Hagemann, Jürgen, 1970: Die Presselenkung im Dritten Reich, Bonn.

Hagemann, Walter, 1948: Publizistik im Dritten Reich. Ein Beitrag zur Methodik der Massenführung, Hamburg.

Köhler, Otto, 1989: Wir Schreibmaschinentäter. Journalisten unter Hitler – und danach, Köln.

Kohlmann-Viand, Doris, 1991: NS-Pressepolitik im Zweiten Weltkrieg. Die ‚Vertraulichen Informationen‘ als Mittel der Presselenkung, München.

Koszyk, Kurt, 1972: Deutsche Presse 1914-1945, Berlin.

Longerich, Peter, 1987: Propagandisten im Krieg. Die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes unter Ribbentrop, München.

Longerich, Peter, 1993: Nationalsozialistische Propaganda, in: Bracher, Karl Dietrich u.a. (Hrsg.): Deutschland 1933-1945. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft, Bonn.

Martens, Erika, 1972: Zum Beispiel Das Reich. Zur Phänomenologie der Presse im totalitären Regime, Köln.

Müsse, Wolfgang, 1995: Die Reichspresseschule – Journalisten für die Diktatur? Ein Beitrag zur Geschichte des Journalismus im Dritten Reich, München.

Sösemann, Bernd, 1985: Voraussetzungen und Wirkungen publizistischer Opposition im Dritten Reich, in: Publizistik 2-3/1985, S. 196-215.

Unger, Eva-Maria, 1984: Illustrierte als Mittel zur Kriegsvorbereitung in Deutschland 1933 bis 1939, Köln.

Uzulis, André, 1995: Nachrichtenagenturen im Nationalsozialismus. Propagandainstrumente und Mittel der Presselenkung, Frankfurt am Main.

Wilke, Jürgen / Noelle-Neumann, Elisabeth, 1994: Pressegeschichte, in: Noelle-Neumann, Elisabeth u.a. (Hrsg.): Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation, Frankfurt am Main.

Anmerkungen:

[1] Köhler 1989: 8.

[2] Der Begriff „Opposition“ hat gegenüber dem Begriff „Widerstand“ den Vorteil, dass er inhaltlich weiter gespannt ist: Er vermag unterschiedlich motivierte, organisiserte und spontane Widerstandshandlungen zu kennzeichnen und schließt zudem individuelle „Resistenz“ mit ein (vgl. Sösemann 1985: 196).

[3] Rundfunk und Wochenschau wurden im Gegensatz zur Presse vollständig von den Nationalsozialisten beherrscht und zentral gelenkt. Da sich hier die Frage nach publizistischer Opposition von selbst erübrigt, wird dieser Bereich in vorliegender Arbeit lediglich mit einem kleinen Exkurs gestreift.

[4] Von dem Verbot waren insgesamt 200 SPD- und 35 KPD-Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 200 Mio. Exemplaren betroffen (Frei/Schmitz 1999: 22).

[5] Die sog. „Mittagspressekonferenz“ tagte in der Regel um 12 Uhr, seit Kriegsbeginn wurde gegen 19 Uhr eine zusätzliche „Abendkonferenz“ abgehalten (Kohlmann-Viand 1991: 69 ff.).

[6] Die an der Berliner Reichspressekonferenz teilnehmenden Journalisten waren dazu verpflichtet, die „vertraulichen Informationen“ der Reichsregierung nach Gebrauch zu vernichten. Dass der Nachwelt dennoch zahlreiche Presseanweisungen übermittelt werden konnten, ist einigen mutigen Journalisten zu verdanken, die ihre Mitschriften entgegen der staatlichen Anordnung aufbewahrten (vgl. Sänger 1975, Kohlmann-Viand 1991 u.a.).

[7] In der Anweisung Nr. 1774 vom 26. Oktober 1935 etwa heißt es: „Am Sonntag findet in Berlin eine internationale Hunde-Ausstellung statt. Die Hunde von Fräulein Heß, der Schwester von Rudolf Heß, sollen nicht besondere Erwähnung finden.“ Andere Anweisungen wiederum waren ganz offensichtlich politischer Natur, so etwa Anweisung Nr. 347 vom 15. Februar 1940: „In der Auslandspresse wird behauptet, dass 1000 deutsche Juden nach dem Gouvernement transportiert worden seien. Die Meldung stimmt, ist aber vertraulich zu behandeln“ (in: Wulf 1983: 96 u. 107).

[8] Über das exakte Datum der Einführung der Tagesparolen gibt es in der Forschungsliteratur widersprüchliche Angaben.

[9] Um dem Qualitätsverlust in der deutschen Presse entgegenzuwirken, wurde vom Reichsverband der deutschen Presse (RDP) in engem Einvernehmen mit dem RMVP und Reichsminister Joseph Goebbels bereits 1934 die Reichspresseschule gegründet. Das Konzept scheiterte jedoch an den Widersprüchen des Systems. Die Reichspresseschule verkam zu einer typischen NS-Einrichtung, die von seinen Schülern bedingungslose Anpassung und dumpfes Bekenntnis einforderte. Eine kreative Elite, die sich bedingungslos jedem Ver- und Gebot beugte, konnte zwangsläufig nicht herangezüchtet werden, und so blieb „die Qualität der Presse […] ein Problem“ (Müsse 1995: 253).

[10] Um nur ein Beispiel zu nennen: Nach den ersten Monaten des Feldzugs gegen Rußland, am 9. Oktober 1941, erklärte Reichspressechef Dietrich entgegen der bisher in der Öffenltichkeit vorherrschenden Zurückhaltung, der Gegner im Osten sei endgültig vernichtet. Dietrich rief damit eine kleine Sensation hervor. Bei Goebbels, der im Volk keine unberechtigten Hoffnungen hervorrufen wollte, stieß die Verlautbarung Dietrichs auf schärfste Ablehnung. In den folgenden Tagen wendete sich Goebbels daher in der Presse und im Rundfunk ganz betont gegen eine illusionistische Einschätzung der Kriegssituation (Abel 1968: 19 f.).

[11] Amann wies die Honorarzahlungen an und entschied über die Höhe der Auflagen, der Bezugs- sowie der Anzeigenpreise.

[12] Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen: Zu nenne wäre etwa der erzwungene Ankauf der Berliner Börsenzeitung im Dezember 1938 durch den Amann-Konzern gegen den Willen von Dietrich und letztlich auch Goebbels. Beachtenswert auch, dass Amann der Verleger von Goebbels, seinem Vorgesetzten, war und ihn durch Honorarvorschüsse in seine finanzielle Abhängigkeit bracht (Abel 1968: 17).

[13] Vgl. Kapitel III.1.a.

[14] Am 20. April 1939 überreichte Max Amann das Blatt seinem Führer Adolf Hitler als „skurriles Geschenk“ zum 50-jährigen Geburtstag (Frei/Schmitz 1999: 49).

[15] Mit Rundschreiben vom 4. Juni 1935 wies Rienhardt die Landesverbände des Reichsverbandes der deutschen Zeitungsverleger an, die konfessionellen Zeitungen anhand eines beigefügten Schemas systematisch zu untersuchen und nach Abschluss einer dreimonatigen Frist Bericht zu erstatten. Das Schema umfasste neben technischen auch Fragen nach der Position der Zeitung „zum heutigen Staat“ und nach der Mischung von Politik und Konfession (L.V. Rundschreiben Nr. 23, in: Wulf 1983: 39 ff.).

[16] Zwischen Ende 1935 und Sommer 1937 standen mehrere Geistliche und Laienbrüder wegen homosexueller Vergehen vor Gericht. Die Verhandlungen hatten Schauprozess-Charakter und wurden von einer hemmungslosen Medienkampagne begleitet: Die Zeitungen mussten auf Weisung von Goebbels „immer abgeschmacktere DNB-Berichte veröffentlichen“ (Frei/Schmitz 1999: 64). Die Kampagne konnte jedoch letztlich kaum Fuß fassen, weil viele katholische Kirchgänger die tatsächliche Realität vor Ort kannten und der Berichterstattung deshalb keinen Glauben schenkten.

[17] Der Reichsleiter für die Presse der NSDAP, Max Amann, konkretisierte in einem Brief an Frau Professor Gerdy Troost vom 30. Juni 1940: „Die Wochenzeitung soll sich im Inland an die politisch und geistig Interessierten richten, die den Entwicklungslinien, inneren Zusammenhängen und tieferen Ursachen des Geschehens nachspüren und über sie unterrichtet sein wollen. […] Diese Wirkung soll durch ein Höchstmaß an innerem Gehalt, Gedankenreichtum und Sachsubstanz jeder Nummer erreicht werden“ (in: Wulf 1983: 159 ff.).

[18] Die Typbezeichnung „301″ sollte an den Tag der „Machtergreifung“ am 30. Januar erinnern.

[19] In der Literatur überwiegen jedoch die rechtfertigenden Darstellungen. Günther Gillessen etwa verweist am Beispiel der Frankfurter Zeitung darauf, es sei „ein großer Irrtum zu meinen, im Dritten Reich hätten nur sehr wenige, nur die intelligentesten Lester bemerkt, welche Botschaften die Frankfurter Zeitung in versteckten Formen übermittelte.“ Das Gegenteil sei der Fall: „Alle bemerkten es“ (Gillessen 1986: 529).