Weiterbildungsmodell mit Pfiff

Konkurrenzfähig durch Jobrotation

Von Tobias Jaecker 

Die Experten sind sich einig wie selten: Ohne fortlaufende Qualifizierung der Mitarbeiter bleibt heute kaum ein Betrieb dauerhaft konkurrenzfähig. Was für die Großen im Normalfall kein Thema ist, wird für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) jedoch häufig zum Problemfall. Bei knapper Personaldecke ist es oft ein Ding der Unmöglichkeit, Mitarbeiter für die Zeit einer Weiterbildungsmaßnahme zu entbehren. Aus der hoffnungslosen Situation gibt es jetzt einen Ausweg: die so genannte Jobrotation.“Die Idee ist denkbar einfach,“ sagt Birgit Matthaei, Sprecherin des von der Berliner SPI Servicegesellschaft initiierten Projekts ,JobRotation Plus‘. „Wir bieten Betrieben Weiterbildungsseminare für ihre Mitarbeiter an, für das ausfallende Personal beschaffen wir Stellvertreter“, erläutert die Projekt-Sprecherin. Der Clou an dieser Vorgehensweise: Dem Unternehmen entstehen außer einem Anerkennungshonorar in Höhe von dreihundert Mark keinerlei zusätzliche Kosten. Die Ersatzkräfte wiederum sind in der Regel arbeitslos gemeldet und werden auch während ihrer Stellvertretertätigkeit vom Arbeitsamt bezahlt. Sie erhalten mit dem Projekt die Chance, Berufserfahrung zu sammeln und dadurch ihre zukünftigen Bewerbungschancen zu erhöhen.

Das Projekt läuft seit März vergangenen Jahres. Mittlerweile wird mit 49 Betrieben kooperiert. „Die Bandbreite reicht vom Handwerksbetrieb über das Baugewerbe bis hin zur Kranken- und Altenpflege,“ so Projektsprecherin Birgit Matthaei. 38 Personen haben ihre Stellvertreterzeit bereits hinter sich. Die Kartei der arbeitswilligen Bewerber ist allerdings weitaus größer: Knapp 200 Personen warten zurzeit auf Vermittlung. Manch einer muss dort versauern, weil sein Profil nicht zu den frei werdenden Stellen passt. Die Stellvertreter können hingegen nicht klagen: 23 Auserwählte wurden von ihren Betrieben gleich für längere Zeit übernommen.

Zum Beispiel Rolf Noske. Der 40-jährige Klimatechniker war lange Zeit arbeitslos. Nach der Umschulung zum Bürokaufmann erhielt er im September vergangenen Jahres den Zuschlag für eine dreimonatige Stellvertretertätigkeit. Dann die Überraschung: Die gemeinnützige Reinickendorfer Firma Integra übernahm Rolf Noske kurz vor Praktikumsende als Produktionsleiter im Postversand. „An meinem Fall wird deutlich, dass das Stellvertreter-Prinzip sinnvoll und Erfolg versprechend ist,“ so Noske. „Ich habe endlich wieder eine Arbeit, die mir Spaß macht.“

Erschienen in: Der Tagesspiegel, 19.4.2000