Gerüstet für Sorbonne oder Oxford

Um den Weg ins Ausland schon in der Studienzeit zu erleichtern, bieten einige deutsche Schulen Hochschulzugangsberechtigungen im Doppelpack an. Zum Abitur gesellen sich das Baccalauréat oder das IB

von Tobias Jaecker

Über Globalisierung und Flexibilität wird viel geredet, doch sobald es konkret wird, entpuppt sich die Diskussion oft als heiße Luft. Im Bildungsbereich etwa schwört man in der Regel auf die alten Konzepte. Und die ziehen so einige Unannehmlichkeiten nach sich. Beispiel Auslandsstudium: Wer sich mit dem deutschen Abitur an einer ausländischen Universität bewirbt, muss in den meisten Fällen Sprachtests und Aufnahmeprüfungen über sich ergehen lassen. Ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten mit dem fremdsprachigen Fachvokabular.

Damit das Studium in Paris oder Oxford nicht zum Fiasko wird, bieten immer mehr deutsche Schulen integrierte Bildungsgänge an, in denen parallel zum Abitur fremdsprachige Abschlüsse wie das französische Baccalauréat oder das englischsprachige International Baccalaureate (IB) erworben werden können. Die Abschlüsse gelten in vielen Ländern als vollwertige Zugangsberechtigung zur Universität.

„Wenn unsere Schulen international konkurrenzfähig sein wollen, müssen sie den Blick nach außen richten“, sagt Friedhelm Dilk, Leiter des Friedrich-Ebert-Gymnasiums in Bonn. Seine Schule war vor rund zehn Jahren die erste, die einen integrierten Bildungsgang zum Erwerb der deutschen und französischen Hochschulreife anbot. Bis heute absolvierten rund 250 Schüler die Prüfungen. Daneben kann an dem Bonner Gymnasium seit kurzem auch das International Baccalaureate erworben werden. Dieses Diplom ist kein staatlicher Schulabschluss. Es wird jedoch in zahlreichen Ländern wie England oder den Vereinigten Staaten als Hochschulzugangsberechtigung anerkannt.

Die ersten IB-Absolventen konnten im vergangenen Herbst verabschiedet werden. „Einige haben sich erfolgreich um Stipendien an renommierten Universitäten wie der Princetown University oder der Lancaster University beworben“, sagt Fabian Gröne, 18 Jahre alt und selbst IB-Anwärter. Fächer wie Geschichte, Biologie oder Physik werden bilingual unterrichtet, also in deutscher wie auch in englischer Sprache.

Die IB-Kandidaten werden hohen Anforderungen ausgesetzt. Neben dem regulären Stundenplan müssen Zusatzkurse belegt und längere wissenschaftliche Arbeiten, so genannte Essays, erarbeitet werden. Die Diplomprüfungen werden zentral von einem Genfer Koordinierungsbüro durchgeführt. Lehrer und Schüler müssen also intensive Vorarbeit leisten. Und die deutschen Abiturprüfungen gibt es schließlich auch noch. „Da geht schon recht viel Freizeit drauf“, sagt Laura Gohlke. Die Zwölftklässlerin strebt neben der internationalen auch die französische Hochschulzugangsberechtigung an. Diese wird von der französischen Schulaufsicht verliehen und entspricht dem deutschen Abitur. Beide Abschlüsse können im Doppelpack mittlerweile an zwölf deutschen Gymnasien erworben werden.

Anders das International Baccalaureate. Dieses wird nur in Ausnahmefällen an staatlichen Schulen wie dem Bonner Friedrich-Ebert-Gymnasium oder dem Goethe-Gymnasium in Frankfurt am Main verliehen. Die meisten Diplomprüfungen werden an so genannten International Schools abgenommen. Rund tausend dieser Privatschulen gibt es mittlerweile. Verstreut über den ganzen Erdball, von Japan über Singapur bis nach Spanien und Deutschland. Die International Schools langen ordentlich zu: Die Berliner Dependance etwa verlangt 1.000 Mark pro Schüler und Monat. Kein Wunder, dass vor allem Geschäftsleute und Diplomaten das Angebot in Anspruch nehmen. Anders verhält es sich mit dem französischen Baccalauréat: Die schulische Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich soll in erster Linie dazu beitragen, die Verständigung zu fördern und Barrieren abzubauen. „Interessierten Schülern geben wir damit die Möglichkeit, nach der Schule problemlos ein Studium in Frankreich zu ergreifen“, sagt Brigitte Lohmar vom Ständigen Sekretariat der Kultusministerkonferenz (KMK).

Doch die besonderen Bildungsgänge bringen auch unerfreuliche Nebenwirkungen mit sich. „Unter den Schülern herrscht ein starker Konkurrenzkampf“, sagt die 17-jährige Laura Gohlke. „Wer nur das deutsche Abitur macht, wird von einigen links liegen gelassen. Da entsteht fast schon eine Art Klassengesellschaft.“ Der Druck ist so hoch, dass einige Schüler bereits abgesprungen sind. Doch Laura will weitermachen. Ihre Zukunftspläne befinden sich noch in der Schwebe. „Irgend etwas mit Astronomie“ kann sie sich vorstellen oder einen künstlerischen Beruf. Eins weiß Laura Gohlke aber schon sicher: „Ich möchte auf jeden Fall ins Ausland.“

Erschienen in: taz, 8.4.2000