Schnüffeln in Badezimmern

Die VerkäuferInnen sind oft die letzte Rettung für hoffnungslos Suchende. Was aber fällt den Dienstleistungsengeln selbst zum Fest ein?

Von Tobias Jaecker

Adventszeit. Und alle sind sie auf der Suche nach der einzigartigen Geschenkidee. Da sind die VerkäuferInnen gefragt: Was empfiehlt sich etwa für die Oma, die ein passendes Präsent für ihren 16-jährigen Enkel sucht?

„Ich rate meinen Kunden nur zu Dingen, die ich selber guten Gewissens verschenken würde“, sagt Anita Printz. Die 43-Jährige bringt in der „Grünen Papeterie“ in der Kreuzberger Oranienstraße vor allem Bücher und Malwerkzeuge an die Frau oder den Mann. Sie selbst möchte diesmal aber keine Produkte aus dem Laden verschenken. „Die Tochter bekommt einen Morgenmantel, meine Freundin vielleicht ein Duftwässerchen. Das war’s dann.“

Im Kaufhof am Alexanderplatz sieht das schon anders aus. Das Gedränge ist groß – schließlich lässt sich hier fast jedes erdenkliche Produkt erwerben. Kerstin Holz schwört denn auch auf den Weihnachtseinkauf im eigenen Hause. „Ich kaufe fast alles hier“, sagt die Verkäuferin aus der Parfümerie-Abteilung. Die 35-Jährige verschenkt, was sie den Kunden anpreist: Parfüm oder ein Duschbad der gehobenen Preisklasse. „Man muss nur ein bisschen durch die Bäder der Bekannten schnüffeln, dann kommt man schon auf die passenden Ideen“, erläutert Kerstin Holz ihre Strategie.

Sven Becker gibt sich ein wenig bescheidener. „Ich versuche, möglichst wenig Geld auszugeben,“ sagt der 24-jährige Verkäufer aus der Kunstbuchhandlung Artificium. Fündig wird er vor allem auf Trödelmärkten. „Dort kann man schöne Kerzenständer oder kleine Figürchen erstehen.“ Wie gut diese Dinge bei den Beschenkten ankommen, vermag der Buchhändler nicht zu sagen. Aber: „Die Sachen gefallen mir selbst, und wenn ich meine Freunde besuche, stehen die Gaben dort meist noch herum.“ Die Bücher aus dem reichhaltigen Sortiment seines Ladens in den Hackeschen Höfen kann Sven Becker zwar zum Fest empfehlen, er selbst bemüht sich aber um andere Geschenke. „Das wäre sonst bei meinem Job etwas einfallslos.“

Anja Müller kann sich dagegen zurücklehnen. Die Verkäuferin aus der Herren-Accessoires-Abteilung der noblen Galeries Lafayette in der Friedrichstraße hat ihre Präsente schon seit Wochen beisammen. „Gerade weil ich im Verkauf arbeite, habe ich keine Lust, in der Weihnachtszeit durch die Kaufhäuser zu eilen und auf Teufel komm raus etwas finden zu müssen“, sagt die 27-Jährige. Aus der stressigen Erfahrung der vergangenen Jahre heraus kauft sie auch schon mal im Sommer ein Geschenk auf Vorrat. „Ich fühle bei meinen Freunden frühzeitig vor, und wenn es dann so weit ist, sind diese meist sehr überrascht über die unerwartete Erfüllung ihrer Wünsche.“ Für die Mutter gibt’s dieses Jahr eine Küchenuhr, für den Vater ein Flanellhemd. Rat suchende Kunden bekommen von Anja Müller deren ganz persönliche Meinung zu hören. „Und wenn ich mal eine neue Idee im Internet oder im Fernsehen entdecke, gebe ich das ebenfalls gerne weiter.“

Auch Tora Kochanski berät ihre Kunden mit Hingabe. Die Filialleiterin der Drogerie Spinnrad in der Frankfurter Allee in Friedrichshain empfiehlt Aromalampen und ätherische Öle zum Fest. Auch Naturkosmetik-Artikel kämen meist gut an. Vom Weihnachtsfest hält die 33-Jährige jedoch gar nichts. „Im Gegensatz zu Geburtstagen geht es dort nicht ehrlich zu“, sagt sie. Mit der Belegschaft feiert sie lieber den Nikolaustag. Und wenn am 24. Dezember die Türen des kleinen Ladens geschlossen werden, erholt sich Tora Kochanski erst einmal von dem scheinheiligen Weihnachtstrubel: „Dann lege ich mich daheim auf die Couch und kraule meine beiden Katzen.“

Erschienen in: taz, 11.12.1999