Flucht nach vorn

Immer mehr Weiterbildungsträger in Berlin kämpfen ums Überleben, zum Beispiel der Kreuzberger Verein „denkste“

Von Tobias Jaecker

Fast fünf Millionen Menschen ohne Job registrieren die Arbeitsämter derzeit. Wer da überleben will, muß gut qualifiziert sein. Doch unter dem Kostendruck der öffentlichen Kassen leiden auch die Weiterbildungsträger. Fördergelder werden gestrichen, ABM- Stellen eingespart.

Zum Beispiel bei „denkste“. Der Berliner Verein bietet berufliche Weiterbildung in Rhetorik oder Öffentlichkeitsarbeit an, im Mittelpunkt des Programms stehen Kurse zur Persönlichkeitsentwicklung. Das Angebot wurde von Menschen aus Berlin und dem Umland genutzt. Und doch wird es für Vereine wie „denkste“ immer schwerer, sich zu behaupten. Durch Mittelkürzungen ist das Projekt akut gefährdet.

Zur Zeit läuft die Finanzierung vor allem über Teilnahmebeiträge. Damit werden die 45 Kursleiter bezahlt. Nur zwei ABM- Stellen finanziert das Arbeitsamt. Die beiden Angestellten übernehmen Organisatorisches. Für die inhaltliche Arbeit würden dringend fachlich kompetente Mitarbeiter gebraucht, so Hanna Ott vom Vereinsvorstand. „Doch das können wir nicht bezahlen.“ Daher lasten Planung und Koordinierung des Kursangebotes auf den Schultern der ehrenamtlichen dreiköpfigen Vorstandes. Das verlangt Idealismus. Um die geförderten Stellen muß „denkste“ kämpfen. Kein Wunder, denn die Berliner ABM-Stellen wurden im letzten Jahr um 7.504 bis Ende Februar gestrichen. „Volle Stellen bewilligt man uns nicht mehr. Die Bezahlung ist dadurch viel zu niedrig“, so Ott. Zu langwierig seien zudem die Antragsprozeduren, zu kurz die Beschäftigung für ein Jahr.

Bildungsträgern, die sich auf Umschulungen und berufliche Weiterbildung spezialisiert haben, geht es etwas besser. Das gemeinnützige „Forum“ etwa erhält zwar weder staatliche Fördergelder noch vom Arbeitsamt finanzierte Stellen. Die Kursgebühren werden aber nach wie vor teilweise vom Arbeitsamt übernommen.

„Denkste“ bleibt nur die Flucht nach vorn. Durch eine wirtschaftliche Umstrukturierung, mehr ehrenamtliches Engagement und besseres Marketing will sich der Verein retten.

Erschienen in: taz, 30.5.1998