Voraussetzungen der Russischen Revolution

Hausarbeit zum Grundkurs „Staat und Gesellschaft in Osteuropa“
Dozentin: Priv.-Doz. Dr. Krisztina Mänicke-Gyöngyösi
Freie Universität Berlin, Osteuropa-Institut
WS 1996/97

vorgelegt von Tobias Jaecker

Gliederung:

1. Einleitung
2. Agrarkrise und Bauernprotest
3. Industrialisierung und Arbeiterfrage
4. Ursprünge der revolutionären Bewegung
5. Staat und Bürokratie
6. Krieg und Revolution
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Bis in unser Jahrhundert hinein war Rußland ein nach westlichen Maßstäben „rückständiges“ Land. Als in zahlreichen europäischen Ländern schon ein mehr oder minder demokratisches Staatswesen entstanden war, herrschte in Rußland immer noch der Zar, waren Mitbestimmungsrechte, wenn überhaupt, dem Adel und den Großgrundbesitzern vorbehalten. Die ländliche Bevölkerung und das entstehende städtische Proletariat lebten in äußerst unzulänglichen Verhältnissen, die zu verbessern der Zar nicht in der Lage war.

Um so radikalere Veränderungen rief die Russische Revolution hervor, die nach Jahrzehnten versäumter Reformen 1917 über Rußland herbrach. Durch sie wurde eine Wende markiert, in die nicht nur Rußland, sondern mit ihm ein ganzes „Jahrhundert […] verwickelt“ wurde.

Im Folgenden wird nun eine umfassendere Beschreibung nicht der eigentlichen Revolution, sondern des vorrevolutionären Rußland und somit ihrer Voraussetzungen gegeben. Die Situation der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen wird erst im Groben skizziert und dann zueinander in Relation gesetzt, wodurch eine präzisere Bestimmung der Ursachen der Revolution möglich wird.

Den Ausführungen liegt als Basis die Analyse Manfred Hildermeiers zugrunde, die mit den Ansätzen diverser anderer Historiker ergänzt und in Relation gesetzt wird.

2. Agrarkrise und Bauernprotest

Bis weit in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein waren die russischen Bauern Leibeigene und somit „Inventar“ des Hofes, unterworfen den allmächtigen Großgrundbesitzern.

Erst am 19. 2. 1861 wurde die Leibeigenschaft durch ein „Befreiungsstatut“ abgeschafft. Ausschlaggebend für diese Maßnahme waren wohl politische Faktoren. Zum einen erzeugte die schmachvolle Niederlage des Krimkrieges unmittelbaren Handlungsdruck. Zum andern erzwang die Zugehörigkeit des russischen Imperiums zu Europa eine Anpassung der rückständigen politischen und sozialen Beziehungen an europäische Maßstäbe, Anpassung und Modernisierung wurden zunehmend als Staatsnotwendigkeit empfunden. Anders ausgedrückt: Die alten Herrscher wußten, daß sie „zum Fortschritt verurteilt“ waren und hofften doch, „daß der Status quo sich halten lasse“.

Durch die Abschaffung der Leibeigenschaft verbesserte sich zwar die Lage der Bauern. Gegen einen allzu tiefen Bruch wurde aber Vorsorge getroffen: Der Bauer wurde nun in allen Fällen von der Dorfgemeinde (obš è ina/mir) als übergeordneter Einheit vertreten. Die obš è ina wurde „zur urtümlichen Kraftquelle der russischen Zivilisation überhöht“, d.h., sie übernahm die Obrigkeitsrolle des Gutsherrn. Fast alle Bauern blieben an die Dorfgemeinde gebunden: 1905 war im zentralen Landwirtschaftsgebiet lediglich 11,7% des Landes Einzelhöfen zugehörig und durch die Tatsache, daß die Bauern das von ihnen bewirtschaftete Land abbezahlen mußten, bestand der wirtschaftliche Kern der Leibeigenschaft bis über die Jahrhundertwende hinaus fort. So konnte die bäuerliche Wirtschaft trotz der Zurückdrängung der gutsherrlichen Eigenwirtschaft nicht gedeihen: 1877 bearbeiteten 65,3% der Bauern weniger als 5 Desjatinen Land, die Bewirtschaftung von 5 Desjatinen galt jedoch als Subsistenzminimum. Das zeigt, daß die Landwirtschaft in den meisten Fällen gar keine Erträge bringen konnte. Ganz im Gegenteil waren die Bauern oft hoch verschuldet, was teilweise jedoch auch ihrem fehlenden wirtschaftlichen Denken zuzuschreiben ist.

Die geringe agrarische Produktivität rührte auch daher, daß die Äcker nach altem Brauch genutzt wurden. Das bedeutet konkret, daß das Land meist sehr kleinteilig gestreut war. Konsequenterweise aber hätten Umteilungsgemeinde und damit Solidarhaftung und kollektiver Bodenbesitz zugunsten von rationellen Betriebsgrößen aufgelöst werden müssen. Ein weiterer Schwachpunkt war der Mangel an bäuerlicher Innovationsbereitschaft, was unter anderem dem weit verbreiteten Analphabetismus zuzuschreiben war. Hier wäre es vermutlich sinnvoll gewesen, eine „großzügige Kreditpolitik zu entwickeln, um die wirtschaftliche Eigeninitiative unternehmender Bauern anzuregen und den Übergang von der extensiven Bodennutzung zur intensiven Bewirtschaftung möglich zu machen“.

Die Erwartungen wurden insgesamt nicht erfüllt, man kann die Bauern deshalb zu Recht als Verlierer der Bodenentflechtung bezeichnen. Die Reform erneuerte also „die Gefahr […], daß das alte Regime, indem es die alte Gesellschaft verwandelte, selbst dabei verlorenging“.

In der Tat fand sich die ländliche Bevölkerung bis zum Sturz des Zarenregimes nicht mit der Reform ab. Gegenüber den Gutsherrn, die „sein“ Land besaßen, wurde das Verhalten immer aggressiver, obwohl diese bis zur Revolution ihre ökonomische Basis verloren und im politischen Bereich überhaupt keinen Machtfaktor mehr darstellten.

Durch die Hungersnot 1891/92 wurde dem polititschen Bewußtsein der Bauern ein zusätzlicher spürbarer Schub versetzt, kleinere Aufstände waren bald an der Tagesordnung. 1902 schließlich befanden sich ganze Dörfer in den Gouvernements Char’kov und Poltava im Aufruhr, die Aufstände wurden jedoch wirkungsvoll niedergeschlagen.

Bei all den Wirren blieb der Zarenmythos unberührt: Der Bauer befand sich im Irrglauben, der Zar wisse von seinem Elend nichts. Dies zog allerdings „keinerlei Ja zu bürgerlicher Verantwortung“ nach sich.

Ein weiterer Rückschlag waren die Unruhen des Jahres 1905. Von einer „organisierten Bauernrevolte“ konnte man jedoch erst im zweiten Halbjahr 1905 sprechen, nachdem sich der Aufstand kanalisiert hatte. 1909, als die Ernten ertragreicher wurden, verringerte sich der Protest wieder zu einer unbedeutenden Größe.

Der Bauernprotest verlief selten auf eigene Faust. Fast alle Angriffe auf die gutsherrlichen Besitzungen und Rechte wurden vom Dorf als Ganzem getragen und dann kollektiv ausgeführt. Hier ist auf das geschickte Agieren der Sozialrevolutionäre zu verweisen: Gleich zu Beginn der bäuerlichen Massenunruhen Anfang des Jahrhunderts boten sie der ländlichen Bevölkerung mit der totalen Vergesellschaftung von Grund und Boden die radikalste aller denkbaren Lösungen an. Im sozialdemokratischen Lager herrschte hingegen mehr Nüchternheit. Man ging davon aus, der kapitalistische Fortschritt würde den Ruin der kleinbäuerlichen Wirtschaft vollenden, infolge dessen müsse der Bauer also Proletarier werden. Erst 1905 verlangten auch die Sozialdemokraten die Aufteilung des Großgrundbesitzes. In ihrem distanzierten Verhältnis zur Bauernschaft waren sie den Kadetten ähnlich.

Im Gegensatz zu Hildermeier betrachtet Pipes das flache Land im Vergleich mit anderen Ländern als „Oase von Recht und Ordnung“. Tatsächlich habe es sich bei der Mehrzahl bäuerlicher Akte angeblichen „Aufruhrs“ nicht um Gewalttaten, sondern um gewöhnliche Befehlsverweigerung gehandelt. D.h., daß die Aufstände nicht als Gradmesser politischer Instabilität gelten konnten, da es lediglich Streiks im Eigeninteresse waren. Sowohl 1905 als auch 1917 seien bei den Bauernaufständen keine politischen Ziele propagiert worden. Man habe nicht auf das „System als Ganzes“ gezielt, denn von dessen Existenz habe der Bauer „keine Ahnung“ gehabt.

Geyer konstatiert, selbst zu Anfang des Weltkrieges habe sich die Agrarordnung noch im Umbruch befunden, es sei „mehr in Frage gestellt und aufgelöst, als neu geordnet“ gewesen, deshalb habe eine „Anfälligkeit für elementare anarchische Konvulsionen“ bestanden.

Scheibert schließlich sieht nicht die mißliche Agrarordnung, sondern die ländliche Übervölkerung als zentrales Problem der vorrevolutionären Ära an. Geyer spricht angesichts des Ansteigens der Geburtenziffern und dem daraus resultierenden Menschenüberschuß gar von einer Not schaffenden „demographischen Revolution“.

3. Industrialisierung und Arbeiterfrage

Zwischen Agrarreform und Industrialisierung ist kein ursächlicher Zusammenhang auszumachen, die sozialen und demographischen Begleitprozesse hingen jedoch eng zusammen. Geyer stellt sogar eine unmittelbare Verbindung her: Die „Millionenmasse des russischen Bauernvolkes“ habe für die Kosten des industriellen Fortschritts einstehen müssen.

Über das Finanzministerium, welches sich „zu einer Art Industrialisierungsagentur“ entwickelte, wurde Rußland konsequent industrialisiert. Dabei wurde nicht immer die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt. Da die staatlichen Kredite oft nach dem „Gießkannenprinzip“ vergeben wurden, kam es durch Überproduktion immer wieder zu Krisen, so z.B. in besonders heftiger Form um die Jahrhundertwende. Erst im Jahrzehnt vor 1914 spielte die staatliche Industriefinanzierung eine geringere Rolle als das private Bankenkapital.

Als industrielle Grundlage wollte man eine eigene Schwerindustrie errichten. Als Leitsektor sollte der Eisenbahnbau dienen, durch den schon bald weite Teile des Landes verkehrsmäßig erschlossen wurden. Auch die Leichtindustrie blühte auf. Die Zahl der Industriearbeiter stieg von 1861 bis zur Jahrhundertwende um 200% an. Im Vergleich zur Bauernschaft war dies jedoch immer noch ein äußerst geringer Teil der Bevölkerung: Selbst zu Beginn des Weltkrieges 1914 existierten in Rußland noch nicht mehr als drei Millionen Fabrikarbeiter. Sie als „Minderheitenproblem“ zu betrachten, ist jedoch unangemessen, da sie sich besonders stark in den Städten konzentrierten und dort durch ihre hohe Konzentration einige Probleme aufwarfen. Städte wie St. Petersburg, das sich von 500.000 Einwohnern 1867 auf 2,2 Millionen Einwohner 1914 vergrößerte, mußten so hauptsächlich die Folgen der Industrialisierung tragen.

Die Slawophilen sprachen jedoch noch Jahrzehnte nach Beginn der Industrialisierung von der „Verwurzelung“ der Arbeiter auf dem Lande. In der Tat blieben Arbeiter- und Bauernschaft noch lange Zeit eng miteinander verwoben: Die obš è ina bestand weiter und war sowohl Bauern als auch Arbeitern weiterhin Heimat. Die Arbeiter waren dort noch weitgehend integriert und bewahrten lange ihre bäuerlichen Wesenszüge. Zudem führten viele Menschen ein „Doppelleben“: Im Sommer als Bauer, im Winter als Arbeiter. Der offizielle Status des Arbeiters war außerdem weiterhin der eines Bauern. Durch diese Integration sollte einem Arbeiterkampf vorgebeugt werden. Die russische Arbeiterschaft befand sich also „am Vorabend der Revolution zwischen Feld und Fabrik“. Man übertrug Gewohnheiten, Verhaltensmuster und Denkweisen in die neue Umgebung und „rückte [dort] noch enger zusammen“, nicht zuletzt deshalb, weil viele Arbeiter alleine in die Stadt gekommen waren.

Organisierte Zusammenschlüsse der Arbeiterschaft waren allerdings bis Ende des 19. Jahrhunderts erst in äußerst geringem Maße vorhanden, was vor allem der Unerfahrenheit der in die Städte strömenden Arbeiter zuzuschreiben ist. Seit den 80er Jahren hatten sich lediglich Kleingruppen zusammengefunden, die sich in Marxistischer Theorie fortbildeten und damit an die westliche Arbeiterbewegung annäherten. Der bürokratische Polizeistaat jedoch wandte sich gegen jegliche dieser Zusammenschlüsse und trieb die politisch interessierten Arbeiter dadurch um so stärker in den illegalen Widerstand.

Welchen Einfluß die revolutionären Zirkel bei der Arbeiterschaft wirklich hatten, liegt teilweise im Dunkeln. Unzweifelhaft ist aber der dominierende Einfluß der Sozialdemokraten, andere Gruppierungen hatten zur Arbeiterschaft keine größeren Verbindungen. Da die Branchen wegen des einseitig eingesetzten ausländischen Kapitals und der staatlichen Förderung eine ungewöhnlich hohe Konzentration aufwiesen, war die Möglichkeit der politischen Mobilisierbarkeit der Arbeiter recht hoch. Von den in kurzer Zeit entstandenen großen Fabriken konnte deshalb schnell eine Gefahr ausgehen. Es war somit klar, daß die Arbeiterschaft den Ausgang einer möglichen Krise entscheidend beeinflussen würde. Als weiteres kam hinzu, daß sie sich hauptsächlich in den Zentren der Macht konzentrierte.

Zündstoff gab es außerdem zuhauf. Die Arbeitsbedingungen in den Fabriken waren miserabel, noch in den Achtziger Jahren bestand der 12- bis 14-Stunden-Arbeitstag. Der Staat erkannte die Unzulänglichkeiten zwar recht früh und versuchte, Abhilfe zu schaffen: Mit Arbeiterschutzgesetzen, der Einschränkung der Kinderarbeit 1882, Einführung der Haftpflicht für Arbeitsunfälle 1903 sowie der Kranken- und Unfallversicherung 1912. Insgesamt änderte sich an den Beschwerlichkeiten in den Industriestädten aber wenig. So war es nicht verwunderlich, daß das revolutionäre Potential stark zunahm. Geyer weist darauf hin, daß ab 1905 „aus den Arbeiterversammlungen, den Demonstrationszügen und den Generalstreikaktionen […] die Ikonen und Zarenbilder […] verschwanden“. Fortan habe „die rote Fahne“ dominiert.

Der durch die Regierung erweiterte Bewegungsraum für die Arbeiter zeigte jedoch insofern Wirkung, als in der Zeit von 1905 bis 1914 teilweise auch reformistische Stimmungen aufkamen. Das Regime aber „sorgte doch immer wieder selbst dafür, daß das Zutrauen in die Perfektibilität der herrschenden Ordnung auf die Dauer nicht groß werden wollte“.

Die erstmals Anfang des Jahrhunderts hochkochende revolutionäre Situation durch immer heftigere und der Regierung stets gefährlicher werdende Streiks wurde erst durch den Kriegsbeginn 1914 etwas entschärft, um sich dann bis 1917 um so stärker zu entfalten.

4. Ursprünge der revolutionären Bewegung

Mit Aufhebung der Leibeigenschaft verdichteten sich auch im Volk vorhandene revolutionäre Stimmungen. „Revolutionsfurcht und Revolutionserwartung hatten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts von Generation zu Generation immer tiefer in das private wie öffentliche Bewußtsein eingegraben“. Nicht nur Außenseiter, sondern „auch viele Menschen, die sich zu den Stützen der alten Ordnung zählten, beschworen die Revolution als allgegenwärtig, ja als Fatum der Zeit“.

Bereits in den Fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts trat ein neuer politisch-sozialer Typus in Erscheinung: Der radikale Intelligent, der die Gesellschafts- und Kulturkritik zu seiner Hauptaufgabe machte und dem im späteren Modernisierungsprozess eine besonders prominente politische Rolle zufiel. 1869 setzten sich in den St. Petersburger Tschaikowskij- und Doguš in-Zirkeln friedliche Aufklärer mit anarchistischen Propagandisten auseinander. Dem angestrebten „Gang ins Volk“ folgte jedoch der Rückzug in die elitären Kleingruppen der Konspiration, da der Staat jeden der politischen Aktion verdächtigen Bürger kriminalisierte und mit Verbrechern gleichsetzte. Eine Radikalisierung war also unvermeidlich, da die Regierung „mit ihren Verboten und Beschränkungen“ die Bürger förmlich „in das Lager der Opposition“ trieb, wo sie dann „für extremistische Appelle empfänglich wurden“. Arbeiter mit primär wirtschaftlichen Interessen wurden so ebenfalls politisiert. Die Gruppe Narodnaja Volja verübte am 1. 3. 1881 den Zarenmord an Alexander II., erschütterte damit die Massen und hinterließ ein tiefes Trauma. Volkserhebungen blieben jedoch aus, was den Realitätsverlust der Revolutionäre verdeutlicht, die im voraus mit heftigeren Folgen gerechnet hatten.

Die meisten Revolutionäre nahmen Herzens „russischen Sozialismus“ zur Grundlage: Eine Synthese aus westlichem Frühsozialismus Marxscher Prägung und slawophil-nationalem Sendungsbewußtsein. „Eigentum“ war ein Fremdwort, und es wurde angenommen, daß ein direkter Weg zum Sozialismus möglich sei, ohne vorher den Kapitalismus mit all seinen Klassenkonflikten zu durchlaufen.

Der nach dem Mord an seinem Vorgänger 1881 auf den Zarenthron gelangende Alexander III. erstickte die begonnenen maßvollen gesellschaftlichen Reformbestrebungen, und so wurde nach der Hungersnot 1891/92 und einer Phase der Sammlung Anfang des 20. Jahrhunderts die Notwendigkeit von politischer Organisierung als immer stärker empfunden. Schließlich wurden dann die ersten gesamtnationalen Organisationen gegründet.

Fast alle Mitglieder der neuentstandenen Parteien kamen aus den Reihen der Intelligenz. Der Vergleich der Zahl der Analphabeten um die Jahrhundertwende (ca. 76%) mit der Zahl der für Politik unzugänglichen Menschen (ca. 80%) verdeutlicht dies. Durch die enge personelle Begrenzung der politischen Parteien auf Bildungsschichten traten jedoch auch erhebliche Modernitätsrückstände auf. So gab es keinerlei Interessenparteien. Unternehmer und Industrielle z.B. verkehrten durch ihre Verbände direkt mit dem Regime; die Parteien hingegen wollten meist für das gesamte Volk sprechen.

So auch die 1901 von den Narodniki gegründete Sozialrevolutionäre Partei. Ihnen war jedoch besonders die Bedeutung des Dorfes wichtig. Mit der „Sozialisierung des Landes“ riefen sie zur Landnahme auf und konnten so den Bauern das für sie vorteilhafteste Programm anbieten. Binnen kurzer Zeit stießen auch Nichtakademiker aller sozialer Schichten zu den Sozialrevolutionären.

Die Sozialdemokraten hingen hauptsächlich westeuropäischen Theorien an. Dies bedeutete gleichzeitig eine Diskrepanz zu den russischen Verhältnissen. Der Marxismus nahm bei ihnen den Charakter einer Industrialisierungsideologie an. So berücksichtigten sie in ihren Theorien die Bauernschaft nicht ernsthaft, sondern gingen vielmehr davon aus, daß der Bauer Proletarier werden müsse. Erst 1905 verlangten auch sie die Aufteilung des Großgrundbesitzes.

Der „rechte Flügel“, die Menschewiki, waren offener und pluralistischer, wogegen ihr Gegenpart, die Bolschewiki, eine Kaderpartei errichten wollten. Die von den Sozialdemokraten angestrebte Revolution sollte jedoch vom Proletariat getragen werden, dieses befand sich aber in einer eindeutigen gesellschaftlichen Minderheit. Eine „sozialdemokratische“ Revolution konnte also kaum demokratischer Art sein. Doch nur Lenin zog daraus die entsprechenden Konsequenzen, indem er eben dieses zugab. Insgesamt hatten die Sozialdemokraten kein theoretisches und taktisches Rezept für die Folgen der Rückständigkeit, die Masse der bäuerlichen Bevölkerung war ihnen wie auch den Liberalen nie zugänglich geworden.

Der Liberalismus wurde hauptsächlich von den Zemstva, den Selbstverwaltungsorganen der Dörfer, getragen. Diese setzten sich aus gewählten Vertretern des Landadels und der städtischen Intelligenz zusammen. Die Zemstva strebten bald mehrheitlich den westlichen Verfassungsstaat an. Zwar wuchs ihre Bedeutung stetig, so hatten ihre Gliederungen z.B. um 1900 mehr als 50.000 Angestellte, wogegen 100.000 staatliche Beamten standen. Sie konnten aber kein wirksames Gegengewicht zur Staatsmacht aufbauen. Geyer bezeichnet die Zemstva gar als „subordinierten Appendix der Staatsverwaltung“, Scheibert spricht von „bürgerlichen Mittelschichten auf dem Lande“, für die politische Freiheit nur auf wirtschaftlichem Gebiet Bedeutung gehabt habe. Trotzdem ging von den Zemstva eine gewisse Hoffnung auf Demokratisierung nach dem Vorbild Englands aus.

Als liberale Partei im weitesten Sinne fungierten die Konstitutionellen Demokraten („Kadetten“). Sie waren eine Gesinnungsgemeinschaft lockerster Art und wurden vor allem von den Zemstva gestützt. In der Praxis herrschte Opportunismus vor, anstatt daß die politische Befreiung vom Staat ernsthaft betrieben wurde. Am deutlichsten wurde dies in Fragen der Außenpolitik, wo die Kadetten nichts anders, sondern nur besser machen wollten.

Die Autokratie bemühte sich zwar, jede Art kollektiver politischer Bestrebungen in die Illegalität zu drängen, dies fiel ihr jedoch zunehmend schwer. So wurde 1904 der „Bund der Befreiung“ gegründet, ein Bündnis der liberalen Intelligenz mit dem fortschrittlichen Adel. Dieser trug entscheidend zur politischen Radikalisierung bei, obwohl dort bewußt nicht die Klassengegensätze thematisiert wurden.

Insgesamt blieb das Parteiensystem bis zur Revolution unterentwickelt. Die Theorien und Programme der Parteien konnten kaum in der Praxis erprobt werden, und so ist es nicht verwunderlich, daß sich mancherlei Ideen von der Realität abgekoppelt hatten, als sie tatsächlich Anwendung finden sollten. Mit anderen Worten: „Diese großgeschnittenen Konzepte, im Kolloquium isolierter Gruppen erdacht, verflogen im Wind, als sie hinaus ins Freie mußten“.

5. Staat und Bürokratie

Die sich nach der Jahrhundertwende verdichtende Herrschaftskrise war das Ergebnis unterbliebener oder unzureichender Reformen. Nicht die Opposition, sondern die eigene Unfähigkeit, die vorhandenen Ressourcen effektiv zu nutzen, wurde der Autokratie zum Verhängnis. Denn sie war nur in Grenzen lernfähig.

1864 wurden die Zemstva eingerichtet, die eine breite Aktivität z.B. im Bereich der Bildung entfalteten. Doch auch sie waren ständische Organe und geprägt vom Adel. Durch Polizei- und Justizreform wurden ebenso nicht geringzuschätzende Verbesserungen erreicht: Durch Einbindung der Bürger in die Gerichtsverfahren konnte ein neues Rechtsbewußtsein entstehen. Trotzdem blieb die Justiz ein „Zweig der Verwaltung und als solcher in erster Linie bedacht, dem Willen der Regierung Geltung zu verschaffen und die Interessen des Staates zu wahren“. Die reale Macht hatten also weiterhin die bürokratischen Institutionen.

Während der Ära der Reformen unter Alexander II. (1855-81) wurde die überlebte Gesellschaftsordnung preisgegeben, ohne an deren Stelle „eine solide und entwicklungsfähige Neugestaltung der sozialen Verhältnisse setzen zu können“. Durch die Veränderungen wurde „keiner einzigen Klasse des russischen Volkes eine Existenzgrundlage“ gegeben, was zur Folge hatte, daß „nahezu die gesamte Bevölkerung des Zarenreiches“ von „gärender Unruhe erfaßt“ wurde. Alexander III. (1881-94) versuchte zwar, der Zeit durch Autorität, Obrigkeitsstaat und eine „regressive Wohlfahrtspolizei […] noch einmal die Bremsen anzulegen“, aber „das Gefühl der Geborgenheit, in einer wohlgefügten Ordnung zu leben“, stellte sich bei alldem nicht wieder ein.

Die überdeutliche Notwendigkeit, das rückständige Rußland in möglichst kurzer Frist industriell zu entwickeln, wurde jedoch erkannt. Seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als Finanzminister Witte den Industrieaufbau zu forcieren begann, besaß dieses Modernisierungsproblem eindeutig Vorrang und „bestimmte […] die Geschicke des Zarenreiches“. Witte sah jedoch mit seinem Ziel, in Rußland den Kapitalismus nach westeuropäischem Vorbild zur Blüte zu bringen, an den Realitäten vorbei. Er verkannte die enormen politischen Auswirkungen seiner Politik.

Die im politischen Bereich vollzogene konservative Bewegung unter Alexander III. war zwar eine „Reaktion auf den Radikalismus“, doch die bestehenden Gesetze waren weit davon entfernt, den Funken der Revolution zu ersticken In Wirklichkeit bereiteten sie ihr den Boden. Nach Meinung von Gitermann sind im Ganzen drei Fehler gemacht worden: Zum einen die bildungsfeindliche Politik des Zarenregimes, mit der die Bemühungen in den Zemstva konterkariert wurden. Zum anderen hätte zur vollen Ausnutzung der Produktivkräfte die ökonomische Lage der Bauern und dadurch ihre Kaufkraft erhöht werden müssen. Und schließlich sei eine gezieltere Darlehensvergabe vonnöten gewesen. Letzteres scheiterte an der mißtrauischen Haltung der Regierung gegenüber dem bürgerlichen Unternehmertum, welches daher rührte, daß man sich vor der möglicherweise irgendwann eingeforderten politischen Macht fürchtete.

Die hartnäckige Weigerung, dem Verlangen nach breiterer Partizipation der Gesellschaft an der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten nachzugeben, war jedoch der eigentlich entscheidende Fehler. Der soziale und wirtschaftliche Wandel war mit immer schnelleren Schritten der Entwicklung der politisch-administrativen Institutionen vorausgeeilt, bis die Diskrepanzen nicht mehr überbrückbar wurden. Der „blutige Sonntag“ zerstörte schließlich auch die letzten naiven Hoffnungen, die das Volk bislang in den Zaren gesetzt hatte und ließ so neues revolutionäres Potential frei. So war die erste revolutionäre Erschütterung 1905 nicht nur ein Produkt der Niederlage im russisch-japanischen Krieg. Sie war im Gegenteil das „Ergebnis falscher Politik der Herrschenden“.

Das Regime übte Schadensbegrenzung und führte eine Art „Scheinkonstitutionalismus“ ein: Durch die oktroyierte Konstitution gab es „mehr in der Form als in der Substanz nach“. Der Widerspruch bestand nach wie vor darin, daß sich die Bevölkerung bilden und in der Gesellschaft wirken sollte, aber ebenso das paternalistische Regime tolerieren mußte. Mit dem neuen Zensuswahlrecht, dessen Einführung 1907 Scheibert als „glatten Staatsstreich“ bezeichnet, zog das Zarenregime zudem die gerade erst begonnenen Reformen wieder zurück.

Trotzdem hielt das Zarenregime noch erstaunlich lange durch, bei aller Schwäche und Anfälligkeit hielt es sich im Ganzen recht stabil. Die Gründe dafür sind nicht nur in der staatlichen Repression zu suchen, sondern ebenso in der Loyalität des bäuerlichen Volkes, die erst ab 1905 kontinuierlich abnahm. Mit Beginn des Weltkrieges wurden die Probleme schließlich immer größer: Die Mißstände in der Verwaltung stiegen ebenso an wie die Anmaßungen des unkontrollierten Polizeiapparats. Am Zarenhofe bestimmten immer stärker die Ränke der Kamarilla und die Agitation des „Wunderheilers“ Rasputin die Politik; der letzte Zar, Nikolaus II. (1894-1917), regierte nur mit beschränktem Verstand. Er wurde von seiner Umgebung und von den Hebeln der Macht zunehmend isoliert. So hat es „an Zeichen pathologischen Verfalls […] in diesen Kriegsjahren in Rußland nicht gefehlt“.

Die Vertrauenskrise wurde immer größer, der oppositionelle Widerstand eskalierte, zumal im ersten Weltkrieg gar keine Reformansätze mehr gewagt wurden. Im Sommer 1915 bildete sich ein „Progressiver Block“ der rechten Parteien, der in der Duma erstmals gegen den Zaren agierte. Die „Richtungslosigkeit“ der obersten politischen Führung und das „Bild der Selbstauflösung, das sie bot“ bestimmten immer stärker die Politik. Die „Kluft zwischen Oben und Unten“, die nicht mehr zugeschüttet werden konnte, erzeugte so zusammen mit dem Ersten Weltkrieg einen Druck, dem die Autokratie endgültig 1917 nicht länger standhalten konnte. Schließlich hinderte niemand mehr den Zaren daran, zu gehen: Seine Herrschaftsform hatte sich überlebt.

Diese Auflösungserscheinungen konnten jedoch nur durch das Nachgeben der Staatsgewalt möglich werden. Die Auszehrung der staatlichen Macht im Innern und der im Zweischritt folgende schwindende Gehorsam der Bevölkerung, was nur durch das ewige Zaudern und Zögern des Regimes hatte möglich werden können, wurden so zu unentbehrlichen Voraussetzungen für die Revolution im Jahre 1917.

6. Krieg und Revolution

Um eine genaue Beschreibung der gesellschaftlichen Situation vor der Revolution geben zu können, sind auch die außenpolitischen Ereignisse von großer Bedeutung, waren doch der russisch-japanische Krieg (1904-05) und der Weltkrieg ab 1914 eng mit den innerstaatlichen Ereignissen verbunden. Der Krieg gehörte in der Tat „zum Kalkül einer Politik, die in ein Innen und Außen auseinanderzulegen unhistorisch wäre, weil die innerstaatlichen Entwicklungsziele mit den machtstaatlichen Interessen und Ambitionen untrennbar zusammenhingen“. So hoffte man im russisch-japanischen Krieg, mit einem Sieg die inländische Opposition ruhigzustellen, was durch die klägliche Niederlage aber gründlich mißlang. Im Gegenteil: Der verlorene Krieg „fachte die Glut der Revolution zu lodernder Flamme an“. Scheibert geht gar davon aus, daß es „ohne den leichtfertig vom Zaun gebrochenen Krieg mit Japan nicht zur Auflehnung der gesamten Gesellschaft gekommen“ wäre, die im Krieg keinerlei sichtbare Vorteile hatte erkennen können.

Lenin erkannte die explosive Eigenschaft eines verlorenen Krieges schon früh. Er plädierte deshalb für einen „revolutionären“ Krieg: Das „fortschrittliche Asien“ solle dem in Gestalt des Zarismus daherkommenden „rückständigen und reaktionären Europa“ zusetzten.

Lenin stand aber mit dieser Meinung in der sozialistischen Internationale weitgehend alleine da. Marx und Engels hatten den Krieg zuerst ebenfalls als „Hebel der Revolution“ gesehen, aber bald schon „stand die Überzeugung, daß der moderne Krieg dem Klassenkampf des Proletariats und mithin dem Interesse der Revolution und des Sozialismus zutiefst zuwider sei“. Man war aber immer noch der Meinung, „daß sich das Alte Regime selbst riskierte, wenn immer die Regierung das Risiko eines Krieges auf sich nahm“.

1914 aber weckte der Kriegstaumel auch den Chauvinismus des Proletariats, dessen patriotisches Bewußtsein nun voll entflammte. So wurde „der Umschlag von der internationalen Solidarität des Proletariats zur nationalen Solidarität mit den bürgerlichen Klassen […] geschwind und gründlich, ja mit Begeisterung vollzogen“. Sogar gestandene Sozialisten plädierten für den Krieg. Geyer spricht angesichts dessen vom „Widersinn der sozialistischen Versuche, diesem Krieg einen progressiven Sinn zu geben“. Lediglich die sozialdemokratische Reichsduma wandte sich noch gegen die „imperialistische“ Intention des kriegsführenden Regimes. Lenin aber wollte zu einem einzigen wirklichen Befreiungskrieg gegen die Bourgeoisie übergehen. Der Weltkrieg sollte „durch eine Weltrevolution beendet werden“.

Bis Februar 1917, als neben den Kriegsverlusten der Rohstoffmangel und die Lebensmittelknappheit immer exorbitanter wurden, breiteten sich „Kriegsmüdigkeit und Niedergeschlagenheit, Gleichgültigkeit und Verzweiflung […] aus, die in Unruhe und Aufruhrbereitschaft umschlagen konnten, sobald Gerüchte oder Losungen die Massen ergriffen“. Bereits ab 1915, als ein militärisches Debakel immer offensichtlicher wurde, geriet die Regierung innenpolitisch zunehmend unter Beschuß: Ihr wurde vorgeworfen, sie verspiele den Sieg.

Geyer meint jedoch, es sei ein „Mißverständnis“, daß man das Heranreifen zur Revolution habe bemerken können. Der Krieg sei zwar „Geburtshelfer der Revolution“ gewesen, doch dürfe man nicht die Geburt mit der Ursache verwechseln.

7. Fazit

Nun stellt sich natürlich die Frage, was tatsächlich die primären und was die sekundären Ursachen der Russischen Revolution 1917 waren.

Rauch sieht die grundsätzlichen Konfliktlinien schon bei der „ersten“ Russischen Revolution 1905 angelegt. Er verweist auf drei Grundströmungen: Den Kampf um eine russische Verfassung und die Befriedigung der bürgerlichen demokratischen Forderungen durch Liberale und Zemstwa, den von den Sozialrevolutionären angestachelten Kampf der Bauern um Land und schließlich das erste Fanal der proletarischen Arbeiterbewegung.

Pipes betrachtet die Revolution von 1917 hingegen eindeutig als „Bauernrevolution“, durch die Lenin und seine Partei an die Macht gelangt seien. Damit läßt er jedoch den ebenfalls nicht zu unterschätzenden proletarischen Aufruhr in den Städten etwas zu sehr aus den Augen. Schließlich waren es hauptsächlich die Soldaten- und Arbeiterräte, durch welche die Bolschewiki an die Macht gelangten. Pipes kritisiert außerdem die überstürzte Anpassung der russischen an europäische Verhältnisse. Rußland sei „nicht aus inneren Gründen“ zusammengebrochen, „sondern infolge ausländischer Eroberung“. Es dürfte aber klar sein, daß Reformen in der überkommenen russischen Agrargesellschaft früher oder später sowieso hätten durchgeführt werden müssen, was wohl in keinem Fall ohne Widerstand und begleitende Unwägbarkeiten vonstatten gegangen wäre.

Im Gegensatz zu Pipes sieht Scheibert in erster Linie die Arbeiterschaft als Verursacher der Revolution. Zusammen mit den Reservisten hätte diese als erstes „erst zögernd und dann immer lautstarker“ nach „Brot und Frieden“ verlangt. Er betont außerdem den anfangs anarchischen Charakter der Revolution: Von einer revolutionären Führung habe „keine Rede“ sein können.

Geyer, vor allem aber auch Hildermeier, dessen Analyse auf dem jüngsten Stand der Forschung basiert, geben schließlich die ausgewogenste Erklärung der Ursachen, durch welche die Revolution entfacht wurde.

Geyer erachtet Agrar- und Arbeiterfrage als gleichwertig. Zudem konstatiert er, daß nationale Bewegungen beim Zusammenbruch des alten Staates kaum Bedeutung gahabt hätten. Außerdem stellt er fest, daß die bürokratische Staatsanstalt keinerlei Prozeß der Zersetzung durchgemacht habe. So sei „nicht der Behördenstaat […], sondern die überkommene Agrargesellschaft“ zerfallen. Die stetig wachsende Macht der Bürokraten habe hingegen eine „bemerkenswerte Vervollkommnung des administrativen Mechanismus“ bewirkt. Geyer betont auch die fehlerhaft angegangene Industrialisierung: Deren Akteure, namentlich Finanzminister Witte, seien „Zarendiener“, die real die „Geschäfte der Revolution besorgt“ hätten. Und schließlich wirft er sein Augenmerk auf den Krieg, den er als „Geburtshelfer“ der Revolution bezeichnet.

Hildermeier betont noch deutlicher das Zusammenfallen der gleichzeitigen Krise der alten und der neuen Agrargesellschaft mit den Geburtswehen der Industriegesellschaft. Den konkreten Anlaß für den Ausbruch der Revolution und das Ende des Zarismus sieht er ebenfalls im Weltkrieg, der die gesellschaftliche Situation samt all ihrer Mißstände und Schwächen gnadenlos verschärft habe.

8. Literaturverzeichnis

Geyer, Dietrich: Die Russische Revolution. (4. Aufl.) Göttingen 1985.

Gitermann, Valentin: Geschichte Rußlands (3. Bd.). Hamburg 1949.

Hildermeier, Manfred: Die Russische Revolution 1905-1921. Frankfurt am Main 1989.

Pipes, Richard: Rußland vor der Revolution: Staat und Gesellschaft im Zarenreich. München 1977.

Rauch, Georg von: Geschichte der Sowjetunion. (8. Aufl.) Stuttgart 1990.

Scheibert, Peter (u.a.): Fischer Weltgeschichte (Bd. 31): Rußland. Frankfurt am Main 1973.