Beobachtungen zur ‚Walser-Debatte‘

Ein diskursanalytischer Ost-West-Vergleich

Hausarbeit zum Hauptseminar „Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern“
Dozenten: Prof. Dr. Hajo Funke und Lars Rensmann
Freie Universität Berlin, Otto-Suhr-Institut für Politische Wissenschaft
SS 1999

vorgelegt von Tobias Jaecker und Frank Kornberger

Gliederung:

I. Einleitung
I. 1. Brisanz, Aktualität und Bedeutung des Themas
I. 2. Untersuchungsgegenstand und Erkenntnisinteresse
I. 3. Methode und Aufbau der Arbeit
I. 4. Quellenlage und Forschungsstand
II. Zum Analysekontext: Wesentliche subtextuale Inhalte der Walserschen Friedenspreisrede und der anschließenden Debatte
II. 1. Was Walser will
II. 1. a) Nationale Selbstversöhnung
II. 1. b) Deutscher Opfermythos
II. 1. c) Struktureller Antisemitismus
II. 1. d) Intellektuellenfeindlichkeit
II. 1. e) Polemik gegen das Holocaust-Mahnmal
II. 1. f) Amnestieforderung für Rainer Rupp
II. 2. Zum Stellenwert
III. Ergebnisse / Hauptteil
III. 1. Zur Untersuchungslogik
III. 1. a) Zu Auswahl und Repräsentativität der untersuchten Fälle
III. 1. b) Zum Untersuchungsinstrument – Operationalisierung der untersuchten Variablen
III. 2. Die Ergebnisse in Zahlen
III. 2. a) Tabelle 1 – Tagespresse West
III. 2. b) Tabelle 2 – Tagespresse Ost
IV. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
IV. 1. Tabelle 3 – West-Ost-Vergleich Thematisierung (nur Zählung, ohne inhaltliche Tendenz)
IV. 2. Tabelle 3 – West-Ost-Vergleich Zustimmung / Ablehnung
IV. 3. ‚Neues Deutschland‘ und ‚junge Welt‘ – ein Sonderfall: national-sozialistische Symbiose
IV. 3. a) Die Kommentierung des ‚Neuen Deutschland‘ und der ‚jungen Welt‘
IV. 3. b) Zur Spezifik des ostdeutschen Rechtsextremismus und dessen Berührungspunkten mit der ostdeutschen ‚Linken‘
V. Zusammenfassung, Schlußfolgerung und Ausblick
VI. Verzeichnis der Quellen und der verwendeten Literatur
VI. 1. Untersuchte Pressekommentare
VI. 2. Zu Inhalts- und Diskursanalyse als Methoden der empirischen Sozialforschung
VI. 3. Zu Martin Walsers Friedenspreisrede, zur anschließenden Debatte und zum Gedenkdiskurs
VI. 4. Zu Antisemitismus, Nationalismus und Nazismus, zu Autoritarismus im Osten und zum „Neuen Deutschland“
VI. 5. Sonstige Literatur

I. Einleitung

Ich finde, man muß sich der peinlichen Aufgabe stellen, wie ist es zu Auschwitz gekommen. Und das ist eine nationale Entwicklung, und das hat eben dann und dann angefangen und ist so und so gelaufen und hat zu Auschwitz geführt.“
Martin Walser, 1986

I. 1. Brisanz, Aktualität und Bedeutung des Themas

Hätte eine Tageszeitung diesen Satz so oder ähnlich veröffentlicht, wären sprachliche und inhaltliche Qualifikationen des verantwortlichen Journalisten mit Sicherheit zum Gegenstand eines Gesprächs beim Chefredakteur über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geworden. Im Unterschied zu Journalisten aber sind Dichter in der Regel nicht abhängig beschäftigt: So gab es niemanden, der Herrn Martin Walser eine Kündigungsandrohung für den Wiederholungsfall aussprechen konnte, als vor mehr als zehn Jahren mit diesen Worten seine historisch-analytischen Kompetenzen umriß. Die Walserei ging weiter – ihr vorläufiger Höhepunkt liefert vorliegender Arbeit den Gegenstand.

Doch es geht um weit mehr als um die mehr oder minder geistigen Ergüsse eines deutschen Literaturpreisträgers: Die von Martin Walser mit seinen „Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede“ – so der Titel seiner Dankesrede am 11.10.1998 anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels – ausgelöste Debatte hat zweifelsohne einen überragenden Stellenwert für die politische Kultur und das geistig-intellektuelle Klima der Bundesrepublik am Ende der 90er Jahre. Nicht nur, daß sie über Monate hinweg das beherrschende Thema in den Feuilletons der bundesdeutschen Tagespresse bildete und Anlaß war für zahlreiche Stellungnahmen von Politikern, Wissenschaftlern und Intellektuellen – als bedeutender Beitrag zum Diskurs „um das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Vergangenheit, zum Holocaust“ (Markovits 1999, 23) kann sie – in einer Reihe mit dem ‚Historikerstreit‘ der 80er Jahre, mit der Diskussion um die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung zum Vernichtungskrieg der Wehrmacht oder auch mit der sog. Goldhagen-Debatte (vgl. Habermas, 1999) – durchaus als entscheidender qualitativer Einschnitt gesehen werden. Nicht zuletzt ist die im Verlauf der Diskussion um Walsers Thesen eingetretene Schärfe der Polarisierung – Ignatz Bubis und die vereinzelten Reste der politischen Linken der BRD auf der einen, maßgebliche prominente Meinungsführer wie Rudolf Augstein, Klaus v. Dohnanyi oder Walter Jens auf der anderen Seite – Grund genug, sich genauer mit den im Verlauf der Debatte transportierten Inhalten und ihrer Widerspiegelung im Mediensystem der Bundesrepublik zu befassen.

Schließlich wird bereits heute die Frage diskutiert, inwieweit historisch bis zum Ende des vergangen Jahrhunderts zurückreichende Kontinuitäten in eine Reflexion der ‚Walser-Debatte‘ einfließen müssen: die Politikwissenschaftler Funke und Rensmann sprechen von ihr als vom „ersten ‚Antisemitismusstreit‘ der Berliner Republik“ (Funke / Rensmann 1998).

I. 2. Untersuchungsgegenstand und Erkenntnisinteresse

Nachfolgend soll versucht werden, anhand einiger Schlaglichter auf die Kommentierung der ‚Walser-Debatte‘ in der bundesdeutschen regionalen Tagespresse das Verhältnis von öffentlicher und veröffentlichter Meinung in der BRD am konkreten Beispiel zu erhellen:

Dabei geht es zum einen um die Frage, ob und in welchem Maß bundesdeutsche Pressekommentatoren willens bzw. in der Lage waren, sich im Streit zwischen Walser und Bubis von einer bloßen, einseitigen Reproduktion der Walserschen Inhalte zu lösen und die Kritik von Bubis und anderen zu diskutieren.

Zum anderen wird untersucht, ob und inwieweit sich die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR publizierten Pressekommentare von den in den alten Bundesländern erschienenen unterscheiden. Damit konkretisiert die Fragestellung auf einer publizistikwissenschaftlichen Ebene die v.a. von Jürgen Elsässer (vgl. Elsässer 1998) und anderen theoretisch leider nur im Ansatz entwickelte und bisher empirisch noch zu wenig unterfütterte Hypothese, daß die Haupttriebkräfte einer evtl. nationalsozialistischen Neuformierung in Deutschland im ideologischen und diskursiven Dunstkreis der ehemaligen DDR zu verorten sind.

Konkret wird (1.) die Tagespresse empirisch nach dahingehenden Anhaltspunkten abgeklopft und werden (2.) nach der empirischen Untersuchung der ostdeutschen Tagespresse die Zusammenhänge zu eben jenem spezifisch ostdeutschen Rechtsextremismus theoretisch problematisiert.

I. 3. Methode und Aufbau der Arbeit

Im Sinne einer Kontext-Analyse werden zunächst Martin Walsers „Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede“ und einzelne bestimmende Debattenbeiträge analytisch zergliedert und auf ihre subtextualen Kernaussagen reduziert. Eine knappe Diskussion und Einschätzung der Bedeutung dieser Friedenspreisrede für den intellektuellen und politischen Diskurs in Deutschland am Ende der 90er Jahre schließt sich an. Dabei wird gleichzeitig der Nachweis geführt, daß es sich bei der ‚Walser-Debatte‘ in weiten Teilen tatsächlich um einen rechtsextremen Diskurs handelt. Im Hauptteil der Arbeit schließlich werden einzelne, nach der Friedenspreisverleihung im Oktober 98 in der bundesdeutschen Tagespresse erschienenen Kommentare im Design einer Querschnittsanalyse inhaltsanlytisch untersucht.

Um den zeitlichen und finanziellen Untersuchungsaufwand (Recherchedienste sind kostenpflichtig) in einem für den Umfang einer Hausarbeit vertretbaren Rahmen zu halten, kann den formalwissenschaftlichen Ansprüchen an die Repräsentativität der untersuchten Fälle nur in begrenztem Umfang Rechnung getragen werden – damit liegt die größte Schwäche der Arbeit in der Verallgemeinerbarkeit bzw. Reichweite der gewonnenen Ergebnisse. Dennoch bildet das untersuchte Material einen recht breitgestreuten Querschnitt der bundesdeutschen Presselandschaft ab:

Analysiert werden 30 Kommentare aus insgesamt 16 Tageszeitungen (aus nahezu allen Bundesländern mit Ausnahme Baden-Württembergs, Bremens und Niedersachsens). Die politischen Wochenzeitungen (DIE ZEIT, Die Woche u.a.) werden dabei nicht in die Analyse einbezogen, da sie nicht eindeutig als west- (und noch weniger als ost-) deutsche Zeitungen klassifiziert werden können – und im Hinblick auf die Fragestellung erscheint die Analyse der Kommentare von Tageszeitungen mit einer spezifizierbaren regionalen Verbreitung am sinnvollsten. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich vom 11.10.1998 (unmittelbar nach der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels an Martin Walser) bis in den Dezember.

Methodisch kommen einfachste Verfahrensformen der qualitativen wie quantitativen Inhaltsanalyse zur Anwendung – die Systematisierung und Einordnung der untersuchten Kommentare nach den in Teil 2 entwickelten Differenzierungskriterien folgt qualitativen Gesichtspunkten, während die Ergebnisse anschließend quantitativ ausgezählt werden.

Abschließend werden die Ergebnisse in Zahlen dargestellt und bewertet, eine Diskussion der Auffälligkeiten und möglicher Schlußfolgerungen schließt sich an.

I. 4. Quellenlage und Forschungsstand

Während die Quellenlage im Bezug auf das hier zugrundeliegende Erkenntnisinteresse aufgrund der vom gesamten Mediensystem erkannten Wichtigkeit weit umfangreicher ist, als diese Hausarbeit dies zu würdigen in der Lage ist, verhält es sich mit dem Forschungsstand anders:

Mit Ausnahme einzelner analytischer, aber leider noch nicht systematisierter wissenschaftlicher Artikel in der bundesdeutschen Tages-, Wochen- und Monatspresse sowie im Internet und diverser leider wenig professioneller bzw. unvollständiger Reader liegen bislang lediglich zwei Buchveröffentlichungen zum Thema vor: Eine Monographie von Joachim Rohloff „Ich bin das Volk. Martin Walser, Auschwitz und die Berliner Republik“, außerdem der von Johannes Klotz und Gerd Wiegel herausgegebene Sammelband „Geistige Brandstiftung? Die Walser-Bubis-Debatte“.

Eine weitere, bereits für den Februar angekündigte Buchveröffentlichung von Hajo Funke und Lars Rensmann war bis zur Fertigstellung der Arbeit leider noch nicht verfügbar.

II. Zum Analysekontext: Wesentliche subtextuale Inhalte der Walscherschen Friedenspreisrede und der anschließenden Debatte

„Die politische Öffentlichkeit hat sich freilich von den Rülpsern einer unverdauten Vergangenheit, die aus dem Bauch der Bundesrepublik in regelmäßigen Abständen aufsteigen, diesmal nur dank der Courage – das war das Beunruhigende – eines prominenten Juden befreien können.“
Jürgen Habermas zur ‚Walser-Debatte‘ (Habermas, 1999)

II. 1. Was Walser will

Im Folgenden wird Martin Walsers Friedenspreisrede analytisch zergliedert – es geht darum, die wesentlichen Anliegen Walsers aus seiner Rede, sowie die inhaltlichen Kernaussagen aus der anschließenden Debatte herauszuschälen. Dabei versucht die Analyse, nicht bei einer hauptsächlich oberflächlichen Betrachtung der im Verlauf der Debatte diskutierten Themen stehenzubleiben, sondern vor allem die darunterliegenden subtextualen Kernaussagen ausfindig zu machen und im Sinne eines zusammenfassenden Überblicks zu systematisieren.

In weiten Teilen im Einklang mit der Argumentation von Ignatz Bubis als einem der schärfsten Kritiker der Walserschen Sonntagsrede und weitergehende vor allem politikwissenschaftliche Analysen und Artikeln zusammenfassend werden dabei folgende subtextuale Kernanliegen bzw. -aussagen genauer beleuchtet:

a) Nationale Selbstversöhnung, b) Deutscher Opfermythos, c) Struktureller Antisemitismus, d) Intellektuellenfeindlichkeit.

Zwei weitere, jedoch eher offensichtliche Anliegen Walsers – seine Polemik gegen das Holocaust-Mahnmal (e) und sein Plädoyer für die Freilassung des DDR-Spions Rainer Rupp (f) – werden in diesem Zusammenhang nur sehr knapp behandelt, sind jedoch für die weitergehende inhaltsanlytische Querschnittsuntersuchung der Pressekommentare unverzichtbar, da gerade diese Inhalte im Hinblick auf hypothetisch angenommene Unterschiede im Ost-West-Vergleich der Kommentierung eine entscheidende Rolle spielen dürften.

Mit dieser inhaltlichen Eingrenzung der Kernaussagen der Walserschen Friedenspreisrede sind gleichzeitig die Untersuchungs- und Vergleichskriterien entwickelt, die im weiteren Verlauf der Untersuchung das Meßinstrument konstituieren.

II. 1. a) Nationale Selbstversöhnung

Für Jürgen Habermas liegt der Kern der Walserschen Sonntagsrede in der Frage des Umgangs der Deutschen mit ihrer Vergangenheit als nazistische Völkermörder – und damit bringt er einen zweifellos zentralen Gegenstand der Walserschen Rede auf den Punkt: „Übernehmen wir, die wir als Bürger der Bundesrepublik Deutschland in der politisch-rechtlichen und kulturellen Nachfolge des Staates und der Gesellschaft der ‚Tätergeneration‘ stehen, eine historische Haftung für die Konsequenzen ihrer Taten? Machen wir die selbstkritische Erinnerung an ‚Auschwitz‘ – die wachgehaltene Reflexion auf das mit diesem Namen verbundene Geschehen – explizit zum Bestandteil unseres politischen Selbstverständnisses? Akzeptieren wir die beunruhigende politische Verantwortung, die den später Geborenen aus dem von Deutschen verübten, unterstützten und geduldeten Zivilisationsbruch erwächst, als Element einer gebrochenen nationalen Identität?“ (Habermas, 1999)

Anders aber als Habermas wirft Walser diese Frage auf, um sie sogleich mit einem deutlichen ‚Nein‘ zu beantworten, weil es ihm um den vielzitierten ‚Schlußstrich‘ geht, um die Aussöhnung eines so als ‚Schicksalsgemeinschaft‘ wiederum völkisch rekonstruierten Kollektivs mit seiner Vergangenheit und damit gerade um die Abweisung von politischer bzw. moralischer Verantwortung (auch der Nachgeborenen). Dies drückt sich vor allem in der folgenden Passage der Walserschen Rede aus, in der über den Terminus des „normalen Volkes“ gerade die Einzigartigkeit des Holocaust als historisches Faktum relativiert wird: „Aber in welchen Verdacht gerät man, wenn man sagt, die Deutschen seien jetzt ein normales Volk, eine gewöhnliche Gesellschaft?“ (Walser, SR, 1998)

Gerade die Verbindung mit den anschließenden Ausführungen Walsers, in der er einen vor-modernen, dem mystizistisch-idealistischen Gedankenfeld der Romantik entlehnten Gewissensbegriff als Gegenentwurf zu Ethik, Moral oder Verantwortlichkeit propagiert, ergibt ein recht klares Bild des dahinterstehenden (und bei weitem nicht nur im Bezug auf ‚Erinnerungspolitik‘ bedeutsamen ) politischen Konzepts: „Die behauptete und beschworene Normalität ist es für Walser, der die öffentliche Erinnerung […] entgegensteht. Erinnerung wird verwiesen auf den abgegerenzten Raum des persönlichen Gewissens. Die Konsequenz hieraus ist die von konservativen Geschichtspolitikern schon immer geforderte Befreiung der deutschen Gegenwart von den Lasten der Vergangenheit. Die ’normale‘ Nation kann so ihre Interessen ohne die öffentliche und hemmende Rückschau verfolgen. Die zunehmende Militarisierung der Außenpolitik beispielsweise wird damit zu einem Beweis dieser Normalität.“ (Klotz , Wiegel, 1999)

Auch der deutlich nationalistische Konnex wird von Klotz und Wiegel hervorgehoben, wenn sie feststellen: „Somit wird er zum Kristallisationspunkt für all jene Normalisierungsrhetoriker, deren wichtigstes Anliegen in der Wiederherstellung einer von der Last der Vergangenheit befreiten nationalen Identität liegt.“ (Klotz , Wiegel, 1999)

Was sich bei Walser findet, ist vor allem „keine Empathie mit den Opfern, keine Sensibilisierung gegenüber der NS-Vergangenheit, keine kritische Erkenntnis, sondern nur der Wunsch, die Erinnerung möge vergehen, Deutschland ’normal‘ sein und niemand mehr eine ‚Moralkeule‘ schwingen, die die Erinnerung – und die Schuldproblematik – hervorholt.“ (Funke, Rensmann, 1998)

Walser popularisiert damit einen Diskurs, der in der BRD seit der sog. ‚Wiedervereinigung‘ forciert geführt wird, und in dessen Mittelpunkt die von der Last der NS-Vergangenheit befreite ’selbstbewußte Nation‘ steht (vgl. Wiegel, 1999, 17). So forciert Walser nichts anderes als eben die in der Überschrift benannte ’nationale Selbstversöhnung‘.

II. 1. b) Deutscher Opfermythos

Was Walser im Zusammenhang mit seiner Konstruktion vom ’normalen‘ Volk und der damit verbundenen Haltung zur deutschen Vergangenheit nicht vorgeworfen werden kann, ist die Leugnung des Holocaust. Dieser wird als historisches Faktum zumindest angedeutet, jedoch – und das war eine berechtigte Kernkritik in Ignatz Bubis‘ Reflexion der Walser-Rede in der anschließenden Debatte – begrifflich verbrämt und verkleidet in einer Terminologie von „Last“ und „Schande“ – statt etwa von ‚Schuld‘ oder ‚Verbrechen‘: „Jeder kennt unsere geschichtliche Last, die unvergängliche Schande, kein Tag, an dem sie uns nicht vorgehalten wird.“ (Walser, SR, 1998)

Jedoch findet diese unkonkrete Andeutung des nazistischen Völkermords an mehr als sechs Millionen Jüdinnen und Juden und mehr als einer halben Million Sinti und Roma – vorgetragen wie ein Bilderbuchbeleg für die These Henryk M. Broders, ‚daß die Deutschen den Juden Auschwitz nie verzeihen werden‘ – in einem Zusammenhang statt, in dem das Walsersche ’normale Volk‘ der Deutschen in völliger Verdrehung der historischen und gegenwärtigen Tatsachen nicht als Täter, sondern als Opfer erscheinen: „Die, die mit solchen Sätzen auftreten, wollen uns weh tun, weil sie finden, wir haben das verdient. Wahrscheinlich wollen sie auch sich selber verletzen. Aber uns auch. Alle. Eine Einschränkung: alle Deutschen. Denn das ist schon klar: In keiner anderen Sprache könnte im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts so von einem Volk, von einer Bevölkerung, einer Gesellschaft gesprochen werden. Das kann man nur von Deutschen sagen. Allenfalls noch, so weit ich sehe, von Österreichern.“ (Walser, SR, 1998)

In dieser Kernpassage der Walserschen Rede steckt die gesamte projektive Halluzination der Deutschen als ‚ewiger Opfergemeinschaft‘, die sich historisch auf die Rede vom ‚Versailler Diktat‘ ebenso beziehen läßt wie auf die propagandistische Eröffnung des Zweiten Weltkriegs, daß ‚ab heute zurückgeschossen‘ werde. So ist es nur konsequent, daß Walser hier gleichzeitig Österreich in das deutsch-nationale Kollektiv der verfolgten Unschuld mit aufnimmt – ob als Reproduktion der nazistischen Annexionspolitik oder mehr als Vorwegnahme zukünftiger Expansionsbestrebungen, sei in diesem Zusammenhang dahingestellt.

Für Jürgen Habermas spricht Walser damit in „der Tradition eines Opferkultes, der – noch in meiner Jugend – auf den Heldentod, auf das präsumtiv freiwillige Sacrificium für die vermeintlich höheren Zwecke des eigenen Kollektivs zugeschnitten war“. Er kommentiert: „Die Aufklärung wußte, warum sie das Opfer abschaffen wollte.“ (Habermas, 1999)

In der Terminologie der politischen Psychologie ist diese Art der Walserschen Projektion als „unvermittelte Abwehraggression“ (Funke, Rensmann, 1998) bekannt, sie drückt sich – auf einer mehr personalisierten Ebene – genauso in folgender Passage der ‚Sonntagsrede‘ aus: „[…] wenn mir aber jeden Tag in den Medien diese Vergangenheit vorgehalten wird, merke ich, daß sich in mir etwas gegen diese Dauerrepräsentation unserer Schande wehrt.“ (Walser, SR, 1998)

Auch Klaus von Dohnanyi, der sich mit seinem Beitrag „Eine Friedensrede“ in der FAZ entschieden hinter Walser stellte und damit einen der meistdiskutierten Beiträge zur Debatte lieferte, schlägt in die gleiche Kerbe des deutschen Opfermythos, wenn er Beispiele konstruiert von deutschen Schulklassen, die im Ausland als Nazis beschimpft würden, von Karikaturen in der englischen Boulevard-Presse, die Kohl mit Hitler-Schnurrbart zeigen und von serbischen Erinnerungen an die NS-Zeit, angesichts der deutschen (und zu diesem Zeitpunkt lediglich kriegsvorbereitenden) Rolle im Kosovo-Konflikt (von Dohnanyi, 1998a).

All das ist weit mehr als „schwäbische Vertrotzheit“ (Harprecht, 1998). Das ist ‚deutscher Opfermythos‘.

II. 1. c) Struktureller Antisemitismus

„Nach einer Studie des American Jewish Committee glauben 39 Prozent der Deutschen das Vorurteil, Juden nutzten den Holocaust für eigene Vorteile.“ (Funke, Rensmann, 1998) In ein solches geistiges Klima, in ein solches (’normales‘?) Volksbewußtsein hinein schallten folgende Aussagen der Walserschen Sonntagsrede: „Wenn ich merke, daß sich in mir etwas dagegen wehrt, versuche ich, die Vorhaltung unserer Schande auf Motive hin abzuhören, und bin fast froh, wenn ich glaube, entdecken zu können, daß öfter nicht mehr das Gedenken, das Nichtvergessendürfen das Motiv ist, sondern die Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken.“ Und: „Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung.“ (Walser, SR, 1998)

Daß damit das gesamte Repertoire klassisch antisemitischer Vorurteile reproduziert und geschürt wird, bedarf wohl kaum eines weiteren Nachweises. Gegen das häufig (und bezeichnenderweise vor allem von Walser-Befürwortern) in der Debatte angeführte Argument, Walser habe an dieser Stelle die Adressaten seiner Befürchtungen bzw. Beschuldigungen nicht konkretisiert und deshalb sei ihm Antisemitismus nicht vorzuwerfen, sollte neben der Haltung von Ignatz Bubis, daß ebendieser ‚Blank‘ der alten wie Neuen Rechten das entscheidende ideologische Einfallstor biete, vor allem bewußt sein, „vor welchem aktuellen vergangenheitspolitischen Hintergrund die Debatte lief. Die Forderungen ehemaliger Sklavenarbeiter an die deutsche Wirtschaft gingen parallel und begleitend zur Kontroverse um Walser durch die Presse, und unabhängig von Dohnanyis oder Walsers persönlicher Ansicht hierzu war klar, daß das Gerede von ‚Vorteilen aus unserem Gewissen‘ hiermit in Verbindung gebracht würde.“ (Wiegel, 1999, 23)

Auch Klaus Harprecht konstatiert richtig: „Durch die Wolkigkeit der Anklage spannt er das Netz des Verdachts viel weiter: Wer steckt zuletzt hinter der ‚Drohroutine‘? Wer droht wem? Drohen New Yorker Anwälte, die von der Deutschen Bank Aufklärung über Arisierungsgewinne und von der Allianz Auskunft über unterschlagene Versicherungen fordern? Droht der jüdische Weltkongreß? Israel?“ (Harprecht, 1998)

Doch vor allem der Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein mochte sich in der Debatte mit jener ‚Wolkigkeit‘ nicht abfinden und wurde konkret, indem er in diesem Punkt mit der Offenheit seiner Anschuldigungen weit über die ‚Sonntagsrede‘ hinausging und damit jene Belege für den von Bubis und Harprecht dargestellten Zusammenhang lieferte, die Bubis sicher lieber nicht schwarz auf weiß in einem der auflagenstärksten deutschen Wochenmagazine hätte lesen wollen: „Nun soll in der Mitte der wiedergewonnenen Hauptstadt Berlin ein Mahnmal an unsere fortwährende Schande erinnern. Anderen Nationen wäre ein solcher Umgang mit ihrer Vergangenheit fremd. Man ahnt, daß dieses Schandmal gegen die Hauptstadt und das in Berlin sich neu formierende Deutschland gerichtet ist. Man wird es aber nicht wagen, so sehr die Muskeln auch schwellen, mit Rücksicht auf die New Yorker Presse und die Haifische im Anwaltsgewand, die Mitte Berlins freizuhalten von solch einer Monstrosität.“ (Augstein, 1998)

Die heftigen Reaktionen auf Bubis‘ Hinweis, daß Walsers „intellektueller Nationalismus […] nicht frei ist von antisemitischen Zügen“ (Bubis in der Berliner Zeitung vom 21.11.98) im Blick, konstatieren Funke und Rensmann: „Diese Reaktionsbildungen ließen die ‚Walser-Debatte‘ um Erinnern und Verdrängen zugleich zum ersten ‚Antisemitismusstreit‘ der Berliner Republik werden.“ (Funke, Rensmann, 1998)

Nicht nur angesichts der Augsteinschen Offenheit scheint für die Klassifizierung des Walserschen Agenda-Setting an dieser Stelle die Frage berechtigt, ob der Begriff des ausschließlich ’strukturellen‘ Antisemitismus nicht eher zu schwach gewählt ist.

II. 1. d) Intellektuellenfeindlichkeit

Vom Antisemitismus in der ‚Walser-Debatte‘ und der Friedenspreisrede inhaltlich und strukturell kaum zu trennen ist ein weiterer zentraler Inhalt derselben: unverhohlene Intellektuellenfeindlichkeit. So weisen Funke und Rensmann beispielsweise darauf hin, daß der Begriff ‚Intellektuelle‘ „das meist gebrauchte Substantiv seines Redetextes [ist], noch vor der ‚Schande'“ (Funke, Rensmann, 1998). Diese erscheinen bei Walser begrifflich zum Beispiel als „von Eitelkeiten dirigierte Gewissenskämpfer“ bzw. als „Meinungssoldaten“, die „mit vorgehaltener Moralpistole den Schriftsteller in den Meinungsdienst nötigen.“ (Walser, SR, 1998)

Der entsprechende Kontext wird von Klotz und Wiegel wie folgt gedeutet: „Auch Walser leidet an dem selbstkonstruierten, der Entlastung dienenden Schuld-Komplex, der es erlaubt, sich selbst als Opfer eben jener Intellektuellen darzustellen, welche die Schande in der deutschen Geschichte zu ihren Zwecken instrumentalisieren“ (Klotz , Wiegel, 1999).

Die entscheidenden Sätze Walsers, in denen er diese oben schon behandelte Opfer-Täter-Vertauschung auf einer explizit intellektuellenfeindlichen Ebene reproduziert, seien an dieser Stelle kurz genannt: „Könnte es sein, daß die Intellektuellen, die sie uns vorhalten, dadurch, daß sie uns die Schande vorhalten, eine Sekunde lang der Illusion verfallen, sie hätten sich, weil sie wieder im grausamen Erinnerungsdienst gearbeitet haben, ein wenig entschuldigt, seien für einen Augenblick sogar näher bei den Opfern als bei den Tätern?“ (Walser, SR, 1998) Oder: „Ein smarter Intellektueller hißt im Fernsehen in seinem Gesicht einen Ernst, der in diesem Gesicht wirkt wie eine Fremdsprache, wenn er der Welt als schweres Versagen des Autors mitteilt, daß in des Autors Buch Auschwitz nicht vorkomme.“ (Walser, SR, 1998) Und: „Schon die Teilung selbst, so lange sie dauerte, wurde von maßgeblichen Intellektuellen gerechtfertigt mit dem Hinweis auf Auschwitz.“ (Walser, SR, 1998)

Vor dem Hintergrund des in preußischer Tradition stehenden und zentral in der nazistischen Ideologie verankerten Konnex zwischen Intellektualität und Judentum erhält diese Art Walserscher Abwehrreaktion neben der antisemitischen auch eine deutlich kollektivistisch-nationalistische (bzw., da wir uns in Deutschland befinden: –völkische) Implikation, wie Funke und Rensmann hervorheben: „Um das Gewissen zu entlasten, beschwört er den ‚Volksgeist‘ des Wir-Kollektivs und weist jene ab, die anders fühlen. Wer ihn daraufhin kritisiert, wie der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis es getan hat, verläßt den in dieser Weise konstruierten nationalen Konsens; mehr noch, Bubis Kritik, Walser sei ein ‚geistiger Brandstifter‘, bedeutet für den Schriftsteller im Lauf der folgenden Debatte ein ‚Heraustreten aus dem Dialog zwischen Menschen‘ (taz, 10.11.98). Der jüdische Kritiker und ‚Störenfried der Erinnerung‘ (Eike Geisel), der sich der ‚Kultur des Wegschauens‘ verweigert, wird hier außerhalb der menschlichen Gesellschaft imaginiert.“ (Funke, Rensmann, 1998)

Die weitgehenden Überschneidungen zwischen Anti-Intellektualismus und Antisemitismus in der Walserschen Rede werden auch von Klotz und Wiegel entsprechend interpretiert: „Indem die Juden (und die Intellektuellen) den Deutschen ihre Schuld vorhalten, stellen sie sich selbst außerhalb des nationalen Kollektivs, welches bei Walser durch die Gemeinsamkeit der ‚Schande‘ gekennzeichnet ist. Im Gespräch mit Bubis machte Walser deutlich, daß er den Juden kein Recht zubilligt, über die Deutschen während der NS-Zeit zu urteilen. Wollen sie zur Nation gehören, dann müssen sie den ihnen unterstellten Gestus der moralischen Überlegenheit ablegen. Als Opfer und deren Nachkommen stehen sie außerhalb derselben.“ (Klotz , Wiegel, 1999)

Die differenzierteste Darstellung und Strukturierung der in Walsers Rede enthaltenen Vorwürfe an „den Intellektuellen“ hat bislang Joachim Rohloff geliefert, der insgesamt fünf „Bestimmungen“ bzw. Zuschreibungen ausmacht, die hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden sollen (vgl. Rohloff, 1999c, 57f.).

II. 1. e) Polemik gegen das Holocaust-Mahnmal

Als wäre all das nicht genug, nutzte Walser seine Friedenspreisrede darüber hinaus auch noch für eine deutliche Positionierung in der Debatte um das geplante Holocaust-Mahnmal in Berlin. Dieses lehnt er – was vor dem Hintergrund des bisher gezeigten nicht verwundert – in drastischen Worten explizit ab: „In der Diskussion um das Holocaust-Mahnmal kann die Nachwelt einmal nachlesen, was Leute anrichten, die sich für das Gewissen von anderen verantwortlich fühlen. Die Betonierung des Zentrums der Hauptstadt mit einem fußballfeldgroßen Alptraum. Die Monumentalisierung der Schande. Der Historiker Heinrich August Winkler nennt das ’negativen Nationalismus‘. Daß der, auch wenn er sich tausendmal besser vorkommt, kein bißchen besser ist als sein Gegenteil, wage ich zu vermuten.“ (Walser, SR 1998)

Diese Aussage gehört zu den offensten und deutlichsten Passagen seiner Rede und soll deshalb an dieser Stelle nicht weiter expliziert und diskutiert werden. Es sei lediglich darauf hingewiesen, daß die Debatte um deutsche Erinnerungspolitik über weiten Strecken selbst bei ausdrücklichen Gegnern des Holocaust-Mahnmals ohne die walsertypische Demagogie auskommt.

II. 1. f) Amnestieforderung für Rainer Rupp

Auch wenn das Walsersche Plädoyer für die Freilassung des DDR-Spions Rainer Rupp alias ‚Topas‘ von vielen Autoren lediglich als inhaltlich relativ irrelevante stilistische bzw. argumentationstaktisch motivierte ‚Klammer‘ um seine Rede wahrgenommen wird, handelt es sich bei der darauf bezogenen Einleitung der Rede doch um eine klar vertretene Position: „Ein idealistischer Altachtundsechziger, der dann für die DDR spionierte und durch die von Brüssel nach Ost-Berlin und Moskau verratenen Nato-Dokumente dazu beigetragen hat, denen im Osten begreiflich zu machen, wie wenig von der Nato ein atomarer Erstschlag zu befürchten sei, dieser idealistisch-sozialistische Weltverbesserer wird nach der Wende zu zwölf Jahren Gefängnis und 100.000 Mark Geldstrafe verurteilt, obwohl das Oberlandesgericht Düsseldorf […]“ usw.usf. (Walser, SR, 1998)

Auf diese Einleitung rekurriert Walser schließlich in seinem Schlußaufruf: „Ach, verehrter Herr Bundespräsident, lassen Sie doch Herrn Rainer Rupp gehen. Um des lieben Friedens willen.“ (Walser, SR, 1998)

Methodisch wie ideologisch interessant an dieser Bezugnahme ist vor allem das dahinterstehende taktische Kalkül, etwa in Form der naheliegenden Frage, inwieweit sich Walser durch seine Parteinahme für Rupp gleichsam verallgemeinernd zum Anwalt der ‚ungerecht behandelten‘ bzw. ‚unterdrückten‘ Bevölkerung Ostdeutschlands aufschwingt.

Diese Hypothese ist vor allem für den Ost-West-Vergleich in der nachfolgenden Untersuchungsanordnung von Relevanz, da davon auszugehen ist, daß Unterschiede in der kommentarförmigen Rezeption der Rede vor allem hier zu erwarten sind.

II. 2. Zum Stellenwert

Besondere Aufmerksamkeit über die konkreten Inhalte der Walser-Rede und der anschließenden Debatte hinaus verdient vor allem die Diskussion der Frage, welchen Stellenwert und welche Bedeutung die Gründung dieser ’nationale Befreiungsbewegung Martin Walser‘ (Hermann L. Gremliza) im Kontext der aktuellen politisch-historischen Entwicklung Deutschlands einnimmt. Verwiesen sei hier auf die Stichworte der neugegründeten ‚Berliner Republik‘ auf der innenpolitischen, auf die immer offensiver eingeforderten ‚gewichtigeren Rolle Deutschlands in der Weltpolitik‘ auf der außenpolitischen Ebene sowie auf das beide Ebenen ideologisch zusammenführenden, von Gerhard Schröder programmatisch propagierte ’neue Selbstbewußtsein einer erwachsenen Nation‘.

Da argumentativ ausreichend unterfütterte und ideologiekritisch fundierte Antworten auf diese doch sehr allgemeine Frage in einer vorläufigen Zusammenfassung an dieser Stelle nicht ernsthaft zu leisten sind, wird im folgenden vor allem – als besonderen Teil der Frage nach dem Stellenwert der ‚Walser-Debatte‘ für das politisch-ideologische Klima in der BRD – jener Aspekt beleuchtet, der mittlerweile auch als empirisch gesichert betrachtet werden kann: Daß Walser der alten und neuen Rechten mehr als nur eine ideologische Steilvorlage geliefert hat. Diese Einschätzung bildete von Beginn der Debatte an den entscheidenden Kern der Metapher von der „geistigen Brandstiftung“, die den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, über mehrere Wochen zum Zielobjekt des ideologischen, politischen und publizistischen Sperrfeuers werden ließ.

Was hatte Bubis gesagt? Er konstatierte lediglich: „Leute wie der DVU-Vorsitzende Gerhard Frey und Ex-Republikaner-Chef Franz Schönhuber sagen es auch nicht anders. Das ist geistige Brandstiftung.“ (Ignatz Bubis in der FAZ vom 13.10.98) Diese Einschätzung konkretisierte er in seiner Berliner Rede zum 60. Jahrestag der Pogromnacht zu einer Befürchtung: „Wenn […] jemand, der sich zur geistigen Elite der Republik zählt, so etwas behauptet, hat das ein ganz anderes Gewicht. Ich kenne keinen, der sich auf Frey oder Deckert beruft, aber mit Sicherheit werden auch die Rechtsextremisten sich jetzt auf Walser berufen.“ (Ignatz Bubis, zit. nach Rohloff, 1999c, 83)

In Verlauf und Dynamik der anschließenden Debatte zeigte sich neben der kollektiv aggressiven Ausgrenzung von Positionen wie der von Bubis vor allem auch die fehlende Bereitschaft, sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen: „Als Ignatz Bubis den Friedenspreisträger nach seiner Dankesrede in die Nähe des Rechtsextremismus stellte, war die Empörung groß und nahezu allgemein. Die sich anschließende Debatte litt unterm Unwillen aller Beteiligten und Kommentatoren, Bubis‘ Diagnose auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen.“ (Rohloff 1999c, 11) Wer die Debatte verfolgt hat, weiß, daß als zentrales demagogisches Moment dieses Unwillens zur Auseinandersetzung die diffamierende Attribution des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland fungierte – Zuschreibungen wie ‚verbohrt‘, ‚verstockt‘, ‚altersstarsinnig‘ waren eher die Regel als die Ausnahme.

Die von Bubis behauptete ‚geistige Brandstiftung durch Walser kann damit vor allem darin gesehen werden, daß Walser als einer der führenden Schriftsteller der Bundesrepublik Behauptungen, Begriffe und Anschauungen gebraucht, die im Spektrum von alten und neuen Nazis / Rechtsextremisten und zum Teil im revanchistisch-konservativen Spektrum beheimatet sind. „Mit der Position des angesehenen und respektierten Schriftstellers ermöglicht Walser eine Lesart dieser Anschauungen, die es dem ’normalen Deutschen‘ und ‚guten Bürger‘ erlauben, sich hinter der Sprache und Ästhetik der Rede zu verstecken, um damit gefahrlos deren Inhalt und geschichtspolitischen Schlußstrich-Passagen zu übernehmen. Positionen und Ansichten werden so in der Öffentlichkeit akzeptabel, die bisher nur in den Gazetten der neuen und extremen Rechten Verbreitung fanden.“ (Klotz , Wiegel, 1999)

Die Bedeutung der Walser-Rede zusammenfassend und die bisherigen diskursanalytischen Ergebnisse des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung reflektierend schlußfolgert Schobert: „Wie auch immer der konfliktuelle Prozeß um die Herausbildung eines Gründungskonsenses der ‚Berliner Republik‘ ausgehen wird, so ist eine Folge der dazu gehörenden Intervention Walsers im gesellschaftlichen Diskurs bereits jetzt absehbar: Walser hat antisemitischen Tendenzen im gesellschaftlichen Diskurs Auftrieb verliehen und ihnen Chancen zum Eindringen in die Mitte der Gesellschaft eröffnet. Etliche Autoren, die […] sich fadenscheinig vom Antisemitismus distanzieren, projizieren heuchlerisch auf Bubis (als angebliche Folge seiner Kritik), was Walser in Gang gebracht hat, und reproduzieren unter Aufnahme Walserscher Worte, Floskeln und Argumente Topoi des überlieferten Antisemitismus.“ (Schobert, 1999, 25)

Zu hoffen bleibt, daß er auch mit seiner anschließenden Einschätzung Recht behält, wenn er konstatiert: „Dieser kräftige Schub für Antisemitismus im gesellschaftlichen Diskurs ist freilich nicht irreversibel.“ (Schobert, 1999, 25)

III. Ergebnisse / Hauptteil

III. 1. Zur Untersuchungslogik

Ausgehend von der oben dargestellten Faktenlage und den politischen Konstellationen soll mit vorliegender Untersuchungsanordnung analysiert werden, ob sich die Kommentierung der Rede Martin Walsers zur Friedenspreisverleihung und der darauffolgenden Debatte in der deutschen Tagespresse signifikant in Ost und West unterscheiden läßt.

Angesichts des starken Bezugs der Rede auf die deutsche Geschichte und deren gesellschaftliche Aufarbeitung stellt sich die Frage, ob der unterschiedliche Umgang mit dem Dritten Reich in der Bundesrepublik einerseits und in der DDR andererseits dermaßen stark in die Gegenwart hineinwirkt, daß sich noch heute ein unterscheidbarer Umgang mit Geschichte in Ost- und Westdeutschland feststellen läßt, der in der Rezeption der Walser-Rede sichtbar werden könnte.

Dabei muß davon ausgegangen werden, daß die Kommentierung in der Tagespresse nicht unbedingt repräsentativ für die Meinung der Bevölkerung sein muß. Dies vor allem, weil zahlreiche Redakteure ostdeutscher Tageszeitungen aus Westdeutschland stammen. Trotzdem kann vermutet werden, daß sich die Einstellungen auch zehn Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung insgesamt noch immer unterscheiden.

III. 1. a) Zu Auswahl und Repräsentativität der untersuchten Fälle

Als Fall werden für das Untersuchungsdesign lediglich diejenigen Fälle definiert, die explizit als Kommentar identifizierbar sind. Auf die Einbeziehung von Gastbeiträgen wird ebenso verzichtet wie auf längere feuilletonistische Artikel.

Dabei beschränkt sich die Untersuchung auf den Zeitraum unmittelbar nach der Walser-Rede (11.10.1998) bis in den Dezember. Um den Rechercheaufwand und die damit verbundenen Kosten im vertretbaren Rahmen zu halten, werden lediglich die Kommentare aus den jeweils zwei größten publizistischen Einheiten der jeweiligen Bundesländer analysiert. Von den 32 angeschriebenen Zeitungen reagierten insgesamt 16. Letztendlich standen 30 Kommentare, je 15 aus Ost und West, zur Untersuchung zur Verfügung. Die vorliegende Auswahl kam also weitgehend zufällig zustande.

Die als überregional geltenden Zeitungen (Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Welt und tageszeitung) wurden dabei außen vor gelassen, da diese trotz ihres schwerpunktmäßig in Westdeutschland befindlichen Verbreitungsgebietes nicht eindeutig zur „westdeutschen“ Kommentierung gezählt werden können. Anders verhält es sich mit den ebenfalls gelegentlich als überregional bezeichneten Tageszeitungen Neues Deutschland und junge Welt, die in die Untersuchung mit einbezogen wurden. Letztere können angesichts ihres Hauptverbreitungsgebiets ohne Bedenken als vor allem ostdeutsche Regionalzeitungen gelten.

Sicher wird durch die geringe Fallzahl die Repräsentativität des untersuchten Materials nach wissenschaftlichen Maßstäben nicht ausreichend garantiert – doch ist davon auszugehen, daß Verzerrungen immerhin nicht allzu heftig zu Buche schlagen, rekrutieren sich die untersuchten Artikel der Tagespresse doch aus einem doch recht breiten Zeitungsspektrum, dessen Selektionskriterium lediglich die Höhe der Auflage war.

III. 1. b) Zum Untersuchungsinstrument – Operationalisierung der untersuchten Variablen

Anhand der in Kapitel II definierten wesentlichen Inhalte bzw. subtextualen Kernaussagen der Walser-Rede sollen nun folgende Inhalte mit einer quantativen Inhaltsanalyse nachgewiesen werden:

a) Nationale Selbstversöhnung, b) Deutscher Opfermythos, c) Struktureller Antisemitismus, d) Intellektuellenfeindlichkeit, e) Polemik gegen das Holocaust-Mahnmal, f) Amnestieforderung für Rainer Rupp

Zunächst bestand die Planung, eine siebte Variable zu messen: Die Nichterwähnung der Opfer des Holocaust. Nach einem ersten Pretest schien es jedoch sinnvoll, auf diese Variable zu verzichten, da deren Messung eine inhaltliche Erwartungshaltung an die Kommentare bedeutet hätte, die außerhalb des Vergleichs der Rede mit den Kommentaren gelegen hätte.

Die Kommentaranalyse soll sowohl zeigen, ob auf die in Teil II explizierten Inhalte eingegangen wird, als auch, ob diese zustimmend oder ablehnend kommentiert werden. Demzufolge können die Variablen a bis e vier Ausprägungen annehmen – konkret werden folgende Merkmalsausprägungen gemessen:

0: nicht thematisiert, 2: thematisiert, aber nicht gewertet oder thematisiert, aber gleichgewichtig abgewägt oder thematisiert, aber keine eindeutige Wertung zu erkennen, +1: eindeutig Walser zustimmend, -1: eindeutig Walser widersprechend

Die Variable c (struktureller Antisemitismus) fällt hier etwas heraus, da ihre Messung eine höhere Interpretationsleistung voraussetzt: offene Zustimmung ist hier kaum zu erwarten. Hier ist die Merkmalsausprägung +1 deshalb derart zu interpretieren, daß der Autor des Kommentars, ähnlich den entsprechenden Teilen der Walser-Rede, strukturell antisemitisch argumentiert.

III. 2. Die Ergebnisse in Zahlen

Die nachfolgenden Tabellen geben zunächst Aufschluß über die gemessenen Merkmalsausprägungen der Variablen a bis e. Dabei sind die untersuchten Fälle zeilenweise angeordnet, die Variablen spaltenweise. Die letzte Zeile enthält den summierten Gesamtwert des Falles, wobei die (neutrale) Merkmalsausprägung 2 („thematisiert, aber nicht gewertet oder thematisiert, aber abgewägt oder thematisiert, aber keine eindeutige Wertung zu erkennen“) wie die (neutrale) Merkmalsausprägung 0 („nicht thematisiert“) behandelt wurde, so daß allein die Variablen +1 („eindeutig Walser zustimmend“) und -1 („eindeutig Walser widersprechend“) zu einem Gesamtwert aufsummiert wurden. An diesem läßt sich die gesamte Tendenz des Falles feststellen, d.h. wie stark der Kommentar Walser insgesamt zustimmt oder widerspricht.

III. 2. a) Tabelle 1: Tagespresse West

Titel Publikation Datum (alles 1998) a) b) c) d) e) f) ge- samt
Walser hat Recht und nicht Recht Rhein-Zeitung 12.10. 2 +1 0 0 -1 2 0
Friedenspreis: Walsers Antwort auf Grass Frankfurter Neue Presse 12.10. +1 +1 0 +1 +1 +1 +5
Redlichkeit der Rede Hess.-Nieder-sächs. Zeitung 13.10. 2 +1 0 0 0 0 +1
Ganz normal? Frankfurter Neue Presse 15.10. 2 +1 2 0 0 0 +1
Wo leben wir eigentlich? Saarbrücker Zeitung 15.10. 0 +1 +1 +1 +1 0 +4
Stimme der Gekränkten Hannoversche Allgemeine Ztg. 17.10. -1 2 2 2 0 0 -1
Flucht aus der Geometrie Hess.-Nieder-sächs. Zeitung 18.10. 2 2 2 +1 2 0 +1
Die Kunst des Erinnerns Nürnberger Nachrichten 09.11. 2 2 0 0 +1 0 +1
Am Kern vorbei Hannoversche Allgemeine Ztg. 10.11. 0 2 0 0 0 0 0
Gegen das Wegsehen Nordkurier 10.11. 2 2 0 0 0 0 0
Eine deutsche Debatte Nürnberger Nachrichten 28.11. 2 +1 2 2 0 0 +1
Bubis spricht nur Hannoversche Allgemeine Ztg. 02.12. +1 -1 0 0 +1 0 +1
Nützlicher Streit Nordkurier 14.12. 2 +1 0 +1 0 0 +2
Bubis und Walser Rheinpfalz 15.12. 2 -1 2 0 2 0 -1
Schlußstrich – worunter? Nürnberger Nachrichten 23.12. -1 -1 -1 -1 0 0 -4
gesamt 15 0 +4 0 +3 +3 +1 +11

III. 2. b) Tabelle 2 – Tagespresse Ost

Titel Publikation Datum (alles 1998) a) b) c) d) e) f) ge- samt
Die Banalität des Guten Thüringer Allgemeine 12.10. +1 +1 2 2 +1 2 +3
Es gilt das eigene Wort Mitteldeutsche Zeitung 12.10. +1 +1 0 +1 0 0 +3
Wie es den Medien recht ist Neues Deutschland 14.10. +1 +1 +1 +1 0 +1 +5
Feuerwehrmann des Tages: Ignatz Bubis Junge Welt 14.10. 0 +1 +1 0 2 0 +2
Die Entsorgung der Geschichte Thüringer Allgemeine 14.10. -1 2 2 +1 2 0 0
Guter Walser, böse Rede? Mitteldeutsche Zeitung 14.10. 0 +1 0 0 0 0 +1
Tiefe Sehnsucht nach Normalität Märkische Allgemeine 14.10. 2 -1 -1 2 2 0 -2
Geistige Brandstiftung? Sächsische Zeitung 15.10. 2 2 0 0 2 0 0
Jubelperser, leicht durchgeknallt Junge Welt 16.10. +1 0 +1 0 2 +1 +3
„Ach, lassen Sie doch Herrn Rainer Rupp gehen“ Neues Deutschland 17.10. +1 +1 +1 +1 +1 +1 +6
Die Aufarbeitung imKonflikt der Generationen Märkische Allgemeine 23.11. 2 2 0 0 2 0 0
Der Streit der Deutschen um den richtigen… Märkische Oderzeitung 02.12. 2 2 2 2 0 0 0
Die biblische Drohung Sächsische Zeitung 02.12. -1 -1 2 2 0 0 -2
Eine deutsche Kontroverse Südthüringer Zeitung 03.12. 2 +1 2 +1 0 0 +2
Ein Anfang ist gemacht Mitteldeutsche Zeitung 15.12. -1 0 0 0 0 0 -1
Gesamt 15 +2 +5 +3 +5 +2 +3 +20

IV. Diskussion und Interpretation der ErgebnisseIm Verlauf der Untersuchung zeigte sich, daß das Untersuchungsinstrument mit seinen sechs Variablen zur Analyse der Kommentare durchaus tauglich war. Die herausgestellten Hauptaussagen Walsers wurden im wesentlichen auch von den Kommentatoren bahandelt, wobei auf die letzte Variable (Amnestieforderung für Rainer Rupp) wesentlich seltener eingegangen wurde – der Grund mag darin liegen, daß diese Aussage entscheidend knapper und eindeutiger gehalten war als die anderen wesentlichen Teile der Rede, quasi „am Rande“ fiel und damit für weniger diskussionswürdig befunden wurde.Zudem stellte es sich als sinnvoll heraus, lediglich die Thematisierung und Wertung zu untersuchen und nicht auf die quantitative Gewichtung der Variablen in den Kommentaren einzugehen, da die Länge der Kommentare teilweise deutlich auseinanderfällt und Vergleichbarkeit damit nicht gewährleistet wäre.IV. 1. Tabelle 3 – West-Ost-Vergleich Thematisierung (nur Zählung, ohne inhaltlich Tendenz)
Tagespresse a) Nationale Selbstvers. b) Dt. Opfer- mythos c) Struktur. Antisem. d) Intellektu- ellenfeindl. e) Polemik gg. Mahnma f) Amnestie f. Rupp Var.- Schnitt:
West tot. (%) 13 (86%) 15 (100%) 7 (46%) 7 (46%) 7 (46%) 2 (13%) 3,4 v.6
Ost tot. (%) 13 (86%) 13 (86%) 10 (66%) 9 (60%) 7 (46%) 4 (26%) 3,7 v.6
Ges. tot. (%) 26 (86%) 28 (93%) 17 (56%) 16 (53%) 14 (46%) 6 (20%) 3,5 v.6
Tabelle 3 zeigt die Thematisierung der einzelnen Variablen in den Kommentaren insgesamt im West-Ost-Vergleich. Dabei läßt sich feststellen, daß die Variablen a (Nationale Selbstversöhnung) und b (Deutscher Opfermythos) in fast allen untersuchten Fällen (86% bzw. 93%) kommentiert wurden, ein signifikanter Unterschied zwischen West und Ost läßt sich hier kaum ausmachen – vor allem aufgrund der zu geringen Fallzahl.Die Variablen c (struktureller Antisemitismus), d (Intellektuellenfeindlichkeit) und e (Polemik gegen das Holocaust-Mahnmal) wurden in gut der Hälfte der Fälle behandelt, wobei die Variablen c und d im Osten etwas stärker zu Buche schlagen (je 46% West vs. 66% bzw. 60% Ost). Auf die Variable f (Amnestieforderung für Rainer Rupp) wurde im Westen lediglich in zwei, im Osten in vier Fällen eingegangen. Auch wenn diese Variable in ostdeutschen Kommentaren doppelt so häufig wie in westdeutschen behandelt wurde, muß zugestanden werden, daß sie gesamt gesehen kaum ins Gewicht fällt. Die Annahme, daß diese Forderung in Ostdeutschland signifikant häufiger kommentiert werden würde, wurde somit falsifiziert.Beim Vergleich der Thematisierung der Variablen läßt sich insgesamt kein signifikanter Unterschied zwischen west- und ostdeutscher Kommentierung feststellen. Durchschnittlich wurden pro Kommentar 3,4 (West) bzw. 3,7 (Ost) der sechs untersuchten Inhalte kommentiert (gesamt: 3,5).IV. 2. Tabelle 4: West-Ost-Vergleich Zustimmung / Ablehnung
Tagespresse a) Nationale Selbstvers. b) Dt. Opfer- mythos c) Struktur. Antisem. d) Intellektu- ellenfeindl. e) Polemik gg. Mahnmal f) Amnestie f. Rupp Gesamt
West 0 +4 0 +3 +3 +1 +11
Ost +2 +5 +3 +5 +2 +3 +20

Eine erste Analyse zeigt, daß die Rede Martin Walsers in den untersuchten Fällen überwiegend positiv beurteilt wird (Minuswerte tauchen bei den Durchschnittswerten überhaupt nicht auf), wobei die Zustimmung in den ostdeutschen Kommentaren insgesamt stärker ist. Diese erzielen einen Gesamtzustimmungswert von +20, die westdeutschen hingegen von +11.Vor allem Walsers These der ewigen Opferrolle der Deutschen wird zugestimmt (Variable b; West: +4, Ost: +5), ebenso der Anklage der intellektuellen Elite (Variable d; West: +3, Ost: +5). Auch für die Variable e (Polemik gegen das Holocaust-Mahnmal) läßt sich noch ein signifikant positiver Saldo ausmachen (West: +3, Ost: +2). Die Variablen a (Nationale Selbstversöhnung) und c (Struktureller Antisemitismus) kommen bei den untersuchten westdeutschen Kommentaren durchschnittlich auf einen Wert von 0, bei den ostdeutschen hingegen auf +2 bzw. +3. Variable f (Amnestieforderung für Rainer Rupp) erhält im westdeutschen Durchschnitt +1, im ostdeutschen +3.

Zwar liegt die Beurteilung der einzelnen Thesen Martin Walsers in West und Ost recht nah beisammen, doch läßt sich insgesamt doch eine signifikant höhere Zustimmung im Osten festmachen. Diese manifestiert sich vor allem in der Nationalen Selbstversöhnung, beim strukturellen Antisemitismus und der Intellektuellenfeindlichkeit. Die unterschiedlich hohe Bewertung der Amnestieforderung für Rainer Rupp in Ost und West läßt sich vor allem auf die im Osten doppelt so hohe Thematisierung zurückführen.

IV. 3. ‚Neues Deutschland‘ und ‚junge Welt‘ – ein Sonderfall: national-sozialistische Symbiose

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung lassen einige Auffälligkeiten erkennen. So befinden sich unter den westdeutschen Kommentaren zwei Fälle mit extrem hohen Zustimmungswerten: Für den Kommentar „Friedenspreis: Walsers Antwort auf Grass“ in der Frankfurter Neuen Presse vom 12. 10. 1998 (Kluger, 1998a) ergibt sich ein Wert von +5, für den Kommentar „Wo leben wir eigentlich?“ in der Saarbrücker Zeitung vom 15. 10. 1998 (Baltzer, 1998) von +4. Auch die ostdeutschen Kommentare „Die Banalität des Guten“ in der Thüringer Allgemeinen vom 12. 10. 1998 (Jauch, 1998) und „Es gilt das eigene Wort“ in der Mitteldeutschen Zeitung vom 12. 10. 1998 (Eger, 1998) erzielen mit +3 recht hohe Werte.

Am auffälligsten sind jedoch die in den Tageszeitungen Neues Deutschland (ND) und junge Welt (jW) erschienenen Fälle: Sämtliche untersuchten Kommentare dieser sich selbst als „links“ bezeichnenden Tageszeitungen weisen überdurchschnittliche Zustimmungswerte auf (wobei die Tageszeitung ‚Junge Welt‘ besonders aufgrund des Verhältnis‘ zwischen geringer Thematisierungsweite der Walserschen Positionen und hoher Zustimmungswerte zum ‚Outlayer‘ wird).

Ließe man ND und jW außer acht, könnte man kaum noch signifikante Unterschiede im Ost-West-Vergleich ausmachen. So jedoch kommt diesen beiden Tageszeitungen eine besondere Bedeutung zu: Beide beschäftigen verhältnismäßig viele aus Ostdeutschland stammende Redakteure; die Leserschaft ist zudem überdurchschnittlich stark in der spezifisch ostdeutschen Vergangenheit und dem politischen System der DDR verwurzelt.

IV. 3. a) Die Kommentierung des ‚Neuen Deutschland‘ und der ‚jungen Welt‘

Zunächst ist da der von Irmtraud Gutschke im Neuen Deutschland verfaßte Artikel „Wie es den Medien recht ist“ (Gutschke, 1998b). In der Hauptsache besteht der Kommentar, wie die Überschrift schon erahnen läßt, aus undifferenzierter Medienschelte. Die Medien, so Gutschke, brächten „viele Sprechblasen, wenig Geist“ hervor. In weinerlichem Ton wird sodann auf die ostdeutsche Bevölkerung verwiesen, der dieses vielleicht noch auffalle. Ansonsten rechtfertigt Gutschke Walsers Ausführungen in allen Teilen (lediglich auf das Holocaust-Mahnmal wird nicht eingegangen).

Einleitend wird Walsers Engagement für Rainer Rupp gelobt. Es folgt eine geharnischte Kritik an Ignatz Bubis, der über Walser die „Schlagwörter […] wie Schlagstöcke […] niedersausen“ lasse, wider besseres Wissen nicht differenziere und demagogische Kurzschlüsse ziehe. Walser drücke mit seiner Erfahrung des Wegschauens lediglich aus, was viele Deutschen dächten (womit sie zweifellos recht hat, A.d.V.). Schließlich wird die „Vermarktung“ der NS-Verbrechen und die „Horrorshow“, die aus der Shoa gemacht werde, gegeißelt. Damit übernimmt Irmtraud Gutschke exakt die Argumentation Walsers der immerwährenden „Instrumentalisierung“ von Auschwitz.

Der zweite, ebenfalls von Irmtraud Gutschke verfaßte ND-Artikel, „Ach, lassen Sie doch Herrn Rainer Rupp gehen“ (Gutschke, 1998a) stimmt Walser gar in allen untersuchten Punkten zu. Da wird zunächst wieder die „Etikettierung“ Walsers durch die Medien kritisiert, sodann aber das Hauptaugenmerk auf Walsers Einsatz für Rainer Rupp gelegt. Die von ihm konstatierte Ungleichbehandlung von Ost- und Westspionen wird gleichfalls für skandalös befunden, obwohl Walser ungerechterweise die DDR noch in den 80er Jahren „nicht anerkennen wollte“.

Der zweite Teil des Artikels beschäftigt sich mit Walsers Auseinandersetzung mit dessen Gewissen: Darüber müsse Walser öffentlich sprechen dürfen. Zugleich werden einige Zitate der Rede wiedergegeben – die „Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken“, die „Drohroutine“ der „Meinungssoldaten“ – laut Gutschke alles bedenkenswerte Äußerungen, denen sie durchaus beipflichtet.

Der erste, glossenhaft gehaltene Kommentar der jungen Welt vom 14.10.1998, „Feuerwehrmann des Tages: Ignatz Bubis“ („asc“, 1998), beschäftigt sich hauptsächlich mit Bubis‘ Reaktion auf Walsers Rede und seiner Anschuldigung der „geistigen Brandstiftung“, was der Verfasser (mit dem Kürzel „asc“ ausgewiesen) harsch kritisiert. Bubis habe schließlich auch schon den SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder sowie den Berliner Bürgermeister Eberhard Diepgen mit dem DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey und dem Ex-Republikaner-Chef Franz Schönhuber „gleichgesetzt“. Auch Walsers These der „Instrumentalisierung des Holocaust“ wird wiedergegeben. Der Verfasser moniert, statt einer Auseinandersetzung mit dem Faschismus, mit den „Urhebern und Profiteuren von Krieg und Völkermord von Deutscher Bank und Generalstab“, werde auf Walser eingeprügelt und somit eine Auseinandersetzung verhindert. Auf diese Weise halte sich die Debatte „im Rahmen des bundesdeutsch Üblichen“.

Auffällig ist an diesem Kommentar vor allem seine nahezu ausschließliche Fokussierung auf Ignatz Bubis. Dessen Kritik wird scharf zurückgewiesen, gleichzeitig werden einige Thesen Walsers unkommentiert wiederholt. Die Hauptschuldigen des Holocaust sieht der Verfasser schließlich beim Kapital: Eine These, die ihn zu dem Schluß kommen läßt, daß eine Kritik an Walser unnötig sei, da, so das sinngemäße Fazit, Walser für den Holocaust schließlich nicht verantwortlich sei.

Auch im zweiten untersuchten Kommentar der jungen Welt vom 16.10.1998 „Jubelperser, leicht durchgeknallt: Auch taz-Brumlik marschiert im Anti-Walser-Takt“ (Becker, 1998), wird die Kritik in extremer Weise personalisiert, diesmal zugespitzt auf Micha Brumlik, der zuvor in der tageszeitung (taz) die Walser-Rede kommentiert hatte. Der Autor des Kommentars, Holger Becker, greift Brumlik vor allem wegen seines anti-völkischen Standpunkts an: Brumlik hatte eine Solidarität Walsers vor allem mit seinen „Volksgenossen“ – hier dem deutschen Juden Victor Klemperer sowie dem DDR-Spion Rainer Rupp – konstatiert. Becker nimmt Brumliks Positionierung zu Rainer Rupp nun zum Anlaß einer wüsten Polemik gegen Brumlik: Die „Jubelperser der rot-grünen Verbindung“ hätten sich aus der Erfahrung der unzureichenden Auseinandersetzung mit den Naziverbrechern in der Bundesrepublik nun „als Feinde des ‚Unrechtsstaates‘ DDR besonders hervortun“ müssen. Gleichzeitig fordere Brumlik deutsches Militär auf dem Balkan.

Auch wenn der letzte Punkt durchaus diskussionswürdig erscheint, fällt der Kommentar vor allem durch seine polemischen und beleidigenden Termini auf (Brumlik wird charakterisiert als „durchgeknallter Jubelperser“, „befreit von sozialer Intention, wenn er denn je eine hatte“) und schließt damit nahtlos an den ersten Kommentar an, in dem Ignatz Bubis als Hysteriker präsentiert wird.

IV. 3. b) Zur Spezifik des ostdeutschen Rechtsextremismus und dessen Berührungspunkten mit der ostdeutschen „Linken“

Zunächst scheint es höchst überraschend, daß neben der „ganz breite[n] neue[n] und alte[n] Mitte“ (Rohloff 1999c, 10), die Walsers Versuch der Entlastung der Deutschen von der nationalsozialistischen Vergangenheit folgt, das Neue Deutschland an vorderster Front mitmarschiert. Ein Blick auf die spezifische Situation in Ostdeutschland zehn Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung kann hier jedoch mehr Klarheit verschaffen.

Jürgen Elsässer verortet die Wurzeln des ostdeutschen völkischen Nationalismus in den Anfangsjahren der DDR. Diese habe immer wieder versucht, „sich gegenüber der BRD als der ‚deutschere‘ Staat zu profilieren. So Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre, als die SED mehr als hundert Initiativen zur Wiedervereinigung startete und den ‚Alliiertenkanzler‘ Adenauer des nationalen Verrats bezichtigte. Zur gleichen Zeit setzte eine reaktionäre Kampagne gegen internationale Kunst wie abstrakte Malerei, Jazz, moderne Architektur usw. ein, die sich in der Folge auch gegen Rock’n Roll und Beat richtete. Nach dem Mauerbau gab es zunächst eine Liberalisierung in der Jugend- und Kulturpolitik. Doch spätestens ab Mitte der siebziger Jahre bemühte sich die SED um eine offene Bezugnahme auf das deutschnationale Kulturerbe, wobei selbst Luther, Bismarck und Friedrich II. abgefeiert wurden.“ (Elsässer, 1998, 28 f.) In den späten 80er Jahren, als die DDR ihrem Ende zuging, wurde staatlicherseits der „Aufbruch aus Agonie, Kraft [und] Stärke“ beschworen, um endlich den „wahren Sozialismus“ in der „deutschen Volksgemeinschaft“ zu etablieren (Wagner, 1999b, 239).

Diese in der ostdeutschen Bevölkerung tief verankerte Ideologie ist es, die für Bernd Wagner entscheidend dazu beiträgt, daß sich „viele Ostdeutsche betrogen, ihrer Hoffnungen beraubt [sehen], in der Bundesrepublik eine bessere Heimat als in der DDR zu haben“ (Wagner, 1999b, 241) und entsprechend aggressiv-antiwestlich reagieren: Mit hinein spiele „das sich ausbreitende Gefühl, daß die westdeutschen Eliten gar kein Interesse an den Ostdeutschen haben, was als ein Verstoß gegen die ‚Volksgemeinschaft‘ gewertet wird, die ja gerade vor dem Fall der Mauer immerwährend propagiert wurde. Ausländer sind in dem Sinne Störenfriede, die die ‚Volksgemeinschaft‘ zerstören, weil ‚die Ausländer‘ von Seiten der liberalistischen westdeutschen Eliten höher geschätzt werden als die Ostdeutschen.“ Hierin erscheine „eine spezifische Variante des Rassismus und des Völkischen, die schönrednerisch häufig als Ausländerfeindlichkeit oder Fremdenfeindlichkeit tituliert“ werde (Wagner, 1999a, 93). Ralf Ptak spricht von den nun zutage tretenden „soziokulturellen Altlasten der DDR“, insbesondere der politischen Kultur der „Pflege preußisch-autoritärer Tugenden“, der „abschottenden und einseitig auf den Arbeitsmarkt ausgerichteten Ausländerpolitik“ oder der „mangelnden Diskursfähigkeit der DDR-Gesellschaft“, die es ermöglicht habe, „daß die geforderte antifaschistische Haltung lediglich als Anpassungsleistung erbracht wurde.“ (Ptak, 1999, 104 f.).

Laut Wagner besteht heute in Ostdeutschland die weit verbreitete Ansicht, „daß die soziale Gerechtigkeit an den ethnischen Wert des ‚deutschen‘ zu binden sei, was der Zugriff auf ‚deutsche Tugenden und Werte‘ zeigt.“ So stehe „der antikapitalistische, die Ausländerkriminalität stets beargwöhnende und die Bonner Gesellschaft ablehnende ehemalige Stasioffizier dem demokratischen Verfassungsstaat nicht weniger feindlich gegenüber als sein Neonazisohn.“ (Wagner, 1999b, 240).

Daß diese in Ostdeutschland weit verbreiteten Einstellungsmuster fruchtbarer Boden für eine Vielzahl von rechtsextremen Gruppierungen und Parteien sind, versteht sich fast von selbst. Nachdem offenbar zunächst die am Neoliberalismus orientierten ‚Modernisierer‘ die Entwicklung der extremen Rechten dominierten, schälte sich ab etwa 1996 eine national-soziale Richtung heraus, die insbesondere von den jungen Nationaldemokraten (JN) auf die Straße getragen wurde und von der die DVU nun auf der parlamentarischen Ebene profitieren konnte (vgl. Ptak, 1999, 101). Neben der „’arisch-germanischen‘ Artbegründung ‚des Deutschen'“ und der Kultivierung der ‚Reichsidee‘ spielen dabei „antiwestliche, antikapitalistische Argumente“ eine wesentliche Rolle, mit denen „der finanzkapitalistischen Globalisierung der Kampf angesagt“ wird (Wagner, 1999a, 92 und 95).

Als Folge des verstärkten Wirkens rechtsextremer Strukturen in Ostdeutschland ergibt sich nun eine „breite soziokulturelle Verankerung rechtsextremer Werte, Einstellungen und alltäglicher Verhaltensmuster in allen sozialen Milieus und Altersgruppen der Bevölkerung“ (Wagner, 1999a, 96). Besonders nazistische, national-sozialistische, nationalrevolutionäre und nationalbolschewistische Organisationen und Ideologiekonstruktionen besitzen, so Wagner, „einen großen Einfluß auf die rechtsextreme Jung-Szenerie. Aber in den älteren Generationen gibt es wahrnehmbare Affinitäten dazu. Dabei wird auf Bilder, Begriffe und Assoziationen der SED-Ideologie zurückgegriffen. […] Sie betten sich so in nationalistisch-völkische Stimmungen und soziale Bewegungszusammenhänge ein“ (Wagner, 1999b, 246).

In seinem Zusammenspiel mit sozialistischen Versatzstücken ist der in Ostdeutschland hervortretende Rechtsextremismus also leichter zu verstehen. Daß derartige Zusammenhänge kaum von der Hand zu weisen sind, wurde auch von Teilen der Linken lange Zeit geleugnet. Vor allem die Sozialdemokratie und große Teile der kommunistischen Linken hielten den Antisemitismus der „Protestwähler“ vor allem „für eine Larve des Antikapitalismus, die man mit gutem Zureden zur Metamorphose bringen“ könne (Elsässer, 1998, 46 f.) .

Indem beispielsweise die Thälmann-KPD „die Phobien der Verstörten mit der Hoffnung auf einen nationalen Sozialismus, in dem, wer nicht arbeitet, auch nicht essen darf“, förderte, trug sie einen nicht unerheblichen Anteil zum Aufstieg der Faschisten bei. Auch in der DDR wurde ähnlich argumentiert. Nach Elsässer habe sich erst auf diese Weise der sozialdmokratisch-kommunistische mit dem faschistischen Diskurs verbinden können – mit der Folge einer „Osmose der Anhängerschaft“: „Wenn die Linke die nazistische Polemik gegen Börse und Geld, gegen Versailler und Maastrichter Vertrag sowie die Propaganda von ‚Arbeit, Arbeit, Arbeit‘ übernimmt, macht sie die Bombe scharf, die Konservative und Deutschnationale gelegt haben.“ (Elsässer, 1998, 14). Es sei „absolut unsinnig, in der Nazi-Ideologie den Antikapitalismus bzw. Antiliberalismus vom Antisemitismus zu trennen“ (Elsässer, 1998, 57).

Diese prekäre „Symbiose des nationalen Sozialismus“, bestehend „aus Neonazismus und DDR-Nostalgie“ (Jürgen Trittin, 1998, 8), bildet also die ideologische Verfaßtheit eines nicht gering zu schätzenden Teils der ostdeutschen Bevölkerung. In den in dieser Arbeit untersuchten Zeitungskommentaren aus dem Neuen Deutschland und der jungen Welt konnte diese Ideologie teilweise nachgewiesen werden – sicherlich nicht in der brutalen, unverhüllten Rhetorik der Neonazis, aber doch strukturell tief verankert.

Hervorzuheben wäre die vor allem im ND vertretene Forderung, der ostdeutschen Volksgemeinschaft müsse endlich Gerechtigkeit widerfahren. Hinzu tritt der Abgrenzungsversuch nach außen, hier gegen „die Medien“ und intellektuellen Besserwisser, im Falle der jungen Welt gar strukturell antisemitisch gegen Ignatz Bubis und andere und vor allem: Gegen das „Kapital“. Wie wohltuend für die gepeinigte ostdeutsche Seele ist da doch Martin Walser mit seiner beschworenen nationalen Solidarität, diesem auf-die-Schulter-klopfenden, selbstüberschätzenden Selbstversöhnungsversuch.

Daß dieser ideologische Bodensatz als Bestandteil ‚ostalgisch‘ geprägter Befindsamkeiten in Ostdeutschland eine virulente Gefahr des Umschlagens in offen nazistische Ideologie (inclusive des dazugehörigen Antiamerikanismus, unverhohlen völkischen Nationalismus und Antisemitismus) in sich birgt, dafür liefern gerade das Neue Deutschland und die Junge Welt – als doch immerhin maßgebliche publizistische Opinion-Leader in bestimmten und zahlenmäßig durchaus relevanten (und sich zudem noch als ‚progressiv‘ bzw. ’sozialistisch‘ begreifenden) Milieus in Ostdeutschland – mehr als nur die untersuchten Beispiele:

Die Junge Welt ist seit Beginn des vergangenen Jahres häufiger durch antisemitisch gefärbte Artikel aufgefallen, das Neue Deutschland schließlich eröffnete auf seiner wöchentlichen Debattenseite am 31. Juli 1998 unter der Überschrift „Wie national muß die Linke sein?“ einen mehrwöchentlichen Dialog mit neurechten Ideologen, indem es einem Mitarbeiter der intelektuell-neofaschistischen Postille ‚Junge Freiheit‘ mehr als eine halbe Zeitungsseite zur Verfügung stellte (vgl. u.a. konkret 10/98, 20 f). Das gesamte Ausmaß der in dieser Debatte an die Oberfläche gespülten, mehr oder weniger offen nazistischen Orientierungen der ND-Leserschaft läßt sich an den Leserbriefen der darauffolgenden Wochen ablesen: Ideologisch deckungsgleich mit NPD- und DVU-Positionen sind diese geeignet, nationalrevolutionäre Organisationen bezüglich der von ihnen angestrebten Symbiose aus Sozialismus und Nationalismus auf Massenbasis mehr als hoffnungsvoll zu stimmen.

V. Zusammenfassung, Schlußfolgerung und Ausblick

In der vorliegenden Arbeit wurden zunächst die von Martin Walser anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels im Oktober 98 gehaltene Dankesrede und die anschließende, breit geführte sog. ‚Walser-Debatte‘ qualitativ diskursanalytisch auf Grundlage des aktuellen Forschungsstandes unter die Lupe genommen, wobei sich aufgrund der Inhalte und subtextualen Kernbotschaften die Rede wie die anschließende Debatte als rechtsextremer Diskurs herauskristallisierten, dieser wurde analytisch-systematisch in mehrere Teilinhalte zergliedert. Die Ergebnisse dieses Teils zusammenfassend könnte man festhalten, daß, wenn es Walser tatsächlich gelungen sein sollte, „die Wunde namens Deutschland offenzuhalten“ (Walser, SR, 1998), seine Friedenspreisrede ihr eitriger Ausfluß ist.

Im zweiten Teil der Arbeit wurden mit Hilfe eines auf Grundlage der inhaltlichen Systematisierung entwickelten Untersuchungsinstruments 30 im letzten Kalenderviertel des vergangenen Jahres veröffentlichte Pressekommentare aus insgesamt 16 Tageszeitungen im Rahmen eines quantitativ-inhaltsanalytischen Querschnittsdesigns daraufhin untersucht, inwieweit sie die entsprechenden rechtsextremen Botschaften der Walser-Debatte (z.B. Antisemitismus, nationale Selbstversöhnung, Deutschen Opfermythos, Intellektuellenfeindlichkeit) kritiklos reproduzieren bzw. inwieweit sie sich davon distanzierten.

Die Ergebnisse wurden einem Ost-West-Vergleich unterzogen, wobei zunächst eventuelle Unterschiede in der Thematisierungshäufigkeit erfaßt und daran anschließend Unterschiede in der Bewertung in Form von Zustimmungswerten gemessen wurden. Während sich bei der Thematisierungshäufigkeit kein signifikanter Unterschied ergab, zeigte sich ein nicht unwesentlicher Unterschied zwischen Ost- und Westkommentierung in den Zustimmungswerten: Auch angesichts der insgesamt fragwürdigen Repräsentativität der Analyse aufgrund der zu geringen Fallzahl kann hierbei vor allem festgestellt werden, daß die Kommentierung in den neuen Bundesländern Walser deutlich mehr zustimmt als die in den alten Bundesländern.

Schließlich konnten insgesamt vier Pressekommentare (zwei Ost, zwei West) mit signifikant hohen Zustimmungswerten ausgemacht werden, darunter zwei Kommentare aus der sich als politisch ‚links‘ bzw. ’sozialistisch‘ begreifenden Tageszeitung ‚Neues Deutschland‘.

Aufgrund dieser Ergebnisse und der Feststellung, daß auch die Tageszeitung ‚Junge Welt‘ im Verhältnis zu ihrer Thematisierungsweite der Walserschen Positionen hohe Zustimmungswerte aufweist, wurde das Problem der Verankerung nationalistisch-rechtsextremer Ideologieversatzstücke in ihrem Selbstverständnis nach ‚linken‘ Milieus der neuen Bundesländern problematisiert. Diesbezüglich wurden verschiedene empirisch und theoretisch begründete Erklärungsansätze diskutiert, mit dem Ergebnis vor allem ideologischer Überschneidungen zwischen preußisch-autoritären (und auch von der Staatsführung der DDR mehr geförderten als bekämpften) Orientierungen und nazistischer bzw. rechtsextremer Weltsicht.

Um diese Ergebnisse auf eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zu stellen bzw. empirisch repräsentativ überprüfen zu können und auf dieser Grundlage zu konkretisieren, wäre vor allem eine Verbindung sozialpsychologischer, politik- und publizistikwissenschaftlicher Ansätze notwendig. Dies mit dem Ziel, den Forschungsstand über Ursachen und Charakter der nationalsozialistischen Neuformierung in den neuen Bundesländern – v.a. auch auf der Ebene des Alltagsbewußtseins – zur Grundlage für die Entwicklung theoretisch fundierter und vor allem PRAKTISCH wirkungsvoller antifaschistischer Gegenstrategien zu machen.

Ansätze wie die aktuelle Forschungsfrage von Andrei S. Markovits nach dem Zusammenhang zwischen Antisemitismus und Antiamerikanismus und damit antiwestlicher Orientierung weisen dabei in die richtige Richtung.

Die entscheidende Frage scheint zu sein, ob vor dem Hintergrund der (in Ost und West unterschiedlich) tiefen Verankerung preußisch geprägter Charakterstrukturen und nazistischer Orientierung in Deutschland auf absehbare Zeit massenorientiert von Antikapitalismus gesprochen werden kann, ohne daß damit objektiv volksgemeinschaftlich-nazistische und aggressive völkisch-ausgrenzende Tendenzen begünstigt werden. Diese Gefahr ist umso größer, als rechtsextrem-sozial’revolutionäre‘ Organisationen wie NPD und Junge Nationaldemokraten (JN) in ebendiese Richtung arbeiten.

Vor allem die praktische Politik und verbale Propaganda von Parteien wie der PDS – inclusive ihrer publizistischen Sprachrohre bzw. faktischen Zentralorgane – verdient vor diesem Hintergrund eher schärfste Beobachtung als wie auch immer geartete – etwa ‚kritisch‘ verbrämte – Solidarität.

Denn Nationalsozialismus als Ideologie ist eben gerade das, was er begrifflich in sich trägt: Die Verbindung von Nationalismus mit Versatzstücken sozialistischer Ideologie.

VI. Verzeichnis der Quellen und der verwendeten Literatur
VI. 1. Untersuchte Pressekommentare

„amo“ (1998): Guter Walser, böse Rede? In: Mitteldeutsche Zeitung v. 14. 10. 1998.

„asc“ (1998): Feuerwehrmann des Tages: Ignatz Bubis. In: Junge Welt v. 14. 10. 1998.

„ch“ (1998): Bubis spricht nur. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung v. 02. 12. 1998.

Baader, Karl-Ludwig (1998): Stimme der Gekränkten. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung v. 17. 10. 1998.

Baltzer, Burkhard (1998): Wo leben wir eigentlich? In: Saarbrücker Zeitung v. 15. 10. 1998.

Becker, Holger (1998): Jubelperser, leicht durchgeknallt: Auch taz-Brumlik marschiert im Anti-Walser-Takt. In: Junge Welt v. 16. 10. 1998.

Berger, Michael B. (1998): Am Kern vorbei. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung v. 10. 11. 1998.

Birkenmaier, Werner (1998): Eine deutsche Kontroverse. In: Südthüringer Zeitung v. 03. 12. 1998.

Deckl, Gerhard (1998): Gegen das Wegsehen. In: Nordkurier v. 10. 11. 1998.

Eger, Christian (1998): Es gilt das eigene Wort. In: Mitteldeutsche Zeitung v. 12. 10. 1998.

Garthe, Michael (1998): Bubis und Walser. In: Rheinpfalz v. 15. 12. 1998.

Goldberg, Henryk (1998): Die Entsorgung der Geschichte. In: Thüringer Allgemeine v. 14. 10. 1998.

Gutschke, Irmtraud (1998): „Ach, lassen Sie doch Herrn Rainer Rupp gehen“. In: Neues Deutschland v. 17. 10. 1998.

Gutschke, Irmtraud (1998): Wie es den Medien recht ist. In: Neues Deutschland v. 14. 10. 1998.

Jauch, Karsten (1998): Die Banalität des Guten. In: Thüringer Allgemeine v. 12. 10. 1998.

Jungkunz, Alexander (1998): Die Kunst des Erinnerns. In: Nürnberger Nachrichten v. 09. 11. 1998.

Jungkunz, Alexander (1998): Schlußstrich – worunter? In: Nürnberger Nachrichten v. 23. 12. 1998.

Kluger, Michael (1998): Friedenspreis: Walsers Antwort auf Grass. In: Frankfurter Neue Presse v. 12. 10. 1998.

Kluger, Michael (1998): Ganz normal? In: Frankfurter Neue Presse v. 15. 10. 1998.

Montag, Andreas (1998): Ein Anfang ist gemacht. In: Mitteldeutsche Zeitung v. 15. 12. 1998.

o.A. (1998): Der Streit der Deutschen um den richtigen Umgang mit dem Holocaust. In: Märkische Oderzeitung v. 02. 12. 1998.

Orzechowski, Lothar (1998): Flucht aus der Geometrie. In: Hessisch-Niedersächsische Zeitung v. 18. 10. 1998.

Pecht, Andreas (1998): Walser hat Recht und nicht Recht. In: Rhein-Zeitung v. 12. 10. 1998.

Schmieg, Wolfgang (1998): Eine deutsche Debatte. In: Nürnberger Nachrichten v. 28. 11. 1998.

Schneider, Rolf (1998): Die biblische Drohung. In: Sächsische Zeitung v. 02. 12. 1998.

Schneider, Rolf (1998): Geistige Brandstiftung? In: Sächsische Zeitung v. 15. 10. 1998.

Schuler, Ralf (1998): Die Aufarbeitung im Konflikt der Generationen. In: Märkische Allgemeine v. 23. 11. 1998.

Schwarze, Dirk (1998): Redlichkeit der Rede. In: Hessisch-Niedersächsische Zeitung v. 13. 10. 1998.

Stapf, Detlef (1998): Nützlicher Streit. In: Nordkurier v. 14. 12. 1998.

Thiemann, A. (1998): Tiefe Sehnsucht nach Normalität. In: Märkische Allgemeine v. 14. 10. 1998.

VI. 2. Zu Inhalts- und Diskursanalyse als Methoden der empirischen Sozialforschung

Diekmann, Andreas (1995): Inhaltsanalyse. In: Diekmann, Andreas: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Reinbek bei Hamburg. S. 481 – 516.

Jaeger, Siegfried (1993): Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. Duisburg.

Jaeger, Siegfried (1994): Text- und Diskursanalyse. Eine Anleitung zur Analyse politischer Texte. Duisburg (DISS-Texte Nr. 16).

Mayntz, Renate / Holm, Kurt / Hübner, Peter (1978): Die Inhaltsanalyse. In: Mayntz, Renate / Holm, Kurt / Hübner, Peter: Einführung in die Methoden empirischer Soziologie. Opladen. S. 151 – 167.

Ritsert, Jürgen (1972): Inhaltsanalyse und Ideologiekritik. Ein Versuch über kritische Sozialforschung. Frankfurt am Main.

Schulz, Winfried (1994): Inhaltsanalyse. In: Noelle-Neumann, Elisabeth / Schulz, Winfried / Wilke, Jürgen (Hrsg.): Publizistik. Massenkommunikation. Frankfurt am Main. S. 41 – 63 (Fischer Lexikon).

Von Prittwitz, Volker (1994): Politikanalyse. Opladen.

VI. 3. Zu Martin Walsers Friedenspreisrede, zur anschließenden Debatte und zum Gedenkdiskurs

Augstein, Rudolf (1998): „Wir sind alle verletzbar“. In: Der Spiegel Nr. 49 1998, S. 32-33.

Baumgart, Reinhard (1998): Sich selbst und allen unbequem. Der Weg des Martin Walser als „geistiger Brandstifter“. In: DIE ZEIT Nr. 51 v. 10.12.1998.

Bodemann, Y.M. (1996): Gedächtnistheater. Die jüdische Gemeinschaft und ihre deutsche Erfindung. Berlin. S. 80-99.

Brumlik, Micha (1998): Vom Alptraum nationalen Glücks. In: Die Tageszeitung v. 15.10.1998.

Brumlik, Micha (1999): Getriebe der Erinnerung. Apologie und Amoral. In: konkret, Heft 2 v. Februar 1999. S. 19-21.

Bubis, Ignatz (1998): „Moral verjährt nicht“. Interview in: Der Spiegel Nr. 49 1998, S. 50-54.

Bubis, Ignatz (1998): „Statt Rechtsextremisten schrieben nette Menschen“. Interview in: Frankfurter Rundschau Nr. 242 v. 19.10.1998. S. 5.

Bubis, Ignatz (1998): Ich bleibe dabei. Bubis antwortet Dohnanyi. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.11.1998.

Bubis, Ignatz (1998): Wer von der Schande spricht. Eine Rede zum 9. November. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 10.11.1998.

Bubis, Ignatz (1999): „Die Haare sind mehr geworden“. Gespräch mit Ignatz Bubis über die Suppe Deutschland. Interview in: konkret, Heft 2 v. Februar 1999. S. 12-15.

Bubis, Ignatz / Elsässer, Jürgen / Gremliza, Hermann L. und Markovits, Andrei S. (1999): „Es wird aufgepaßt“. Auszugsweise Dokumentation der Podiumsdiskussion „Vorwärts und vergessen – Martin Walser, Auschwitz und die Berliner Republik“ vom 08.03.99 in der Humboldt-Universität zu Berlin. In: konkret, Heft 4 v. April 1999. S. 12-15.

Bubis, Ignatz / Walser, Martin (1998): Wir brauchen eine neue Sprache für die Erinnerung. Das Treffen von Ignatz Bubis und Martin Walser. Gespräch in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 290 v. 14.12.1998. S. 39-41.

Dietzsch, Martin / Jäger, Siegfried / Schobert, Alfred (Hrsg.) (1999): Endlich ein normales Volk? Vom rechten Verständnis der Friedenspreis-Rede Martin Walsers. Eine Dokumentation. Duisburg.

Friedmann, Michel (1998): „Das hat mich sehr irritiert“. Interview in: konkret, Heft 12 v. Dezember 1998. S. 14-15.

Funke, Hajo / Rensmann, Lars (1998): Friedensrede als Brandstiftung? In: Der Tagesspiegel Nr. 16 546 v. 13.12.1998. S. W 3.

Gremliza, Hermann L. (1999): Drüben und hüben. Was heute links wäre. In: konkret, Heft 2 v. Februar 1999. S. 9.

Habermas, Jürgen (1999): Der Zeigefinger. Die Deutschen und ihr Denkmal. In: DIE ZEIT Nr. 14 v. 31.03.1999.

Harprecht, Klaus (1998): Wen meint Martin Walser? In: DIE ZEIT Nr. 43 v. 15.10.1998.

Klotz, Johannes / Wiegel, Gerd (1999): Vorwort. Warum es geistige Brandstiftung war. In: Klotz, Johannes / Wiegel, Gerd (Hrsg.): Geistige Brandstiftung? Die Walser-Bubis-Debatte. Köln. S. 7-16.

Köhler, Kai (1999): Die poetische Nation. Zu Martin Walsers Friedenspreisrede und seinen neueren Romanen. In: Klotz, Johannes / Wiegel, Gerd (Hrsg.): Geistige Brandstiftung? Die Walser-Bubis-Debatte. Köln. S. 65-117.

Kunstreich, Tjark (1999): Business as usual. In: konkret, Heft 2 v. Februar 1999. S. 26.

Kunstreich, Tjark (1999): Subjekt, Opfer, Prädikat. In: konkret, Heft 1 v. Januar 1999. S. 12-13.

Küntzel, Matthias (1999): Getriebe der Erinnerung. Normalität und Wahn. In: konkret, Heft 2 v. Februar 1999. S. 16-19.

Markovits, Andrei S. (1999): Whistling in the Dark. Interview in: konkret, Heft 2 v. Februar 1999. S. 23-25.

o.A. (1999): Zu Protokoll. Walser-Debatte & Gewerkschaften. In: konkret, Heft 3 v. März 1999. S. 26-27.

Reemtsma, Jan Philipp (1998): Worüber zu reden ist. Jan Philipp Reemtsma entgegnet Dohnanyi. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 26.11.98

Rohloff, Joachim (1999): „Das Weltjudentum ist eine jroße Macht“. In: konkret, Heft 1 v. Januar 1999. S. 15.

Rohloff, Joachim (1999): Ein allemannisches Idiotikon. In: konkret, Heft 2 v. Februar 1999. S. 22.

Rohloff, Joachim (1999): Ich bin das Volk. Martin Walser, Auschwitz und die Berliner Republik. Hamburg (konkret Texte 21).

Ruoff, Alexander / Spaney, Gerhard (1998): Das „Unsagbare“, die Opfer und der Sinn. Das Verschwinden von Auschwitz in der Nationalisierung des Gedenksdikurses. In: Dietl, Andreas / Möller, Heiner / Vogel, Wolf-Dieter u.a.: Zum Wohle der Nation. Berlin. S. 69-82.

Schobert, Alfred (1999): Keine Mißverständnisse. In: konkret, Heft 2 v. Februar 1999. S. 27.

Von Dohnanyi, Klaus (1998): Eine Friedensrede. Martin Walsers notwendige Klage. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.11.1998.

Von Dohnanyi, Klaus (1998): Jeder prüfe sein Gewissen. Eine Antwort auf Ignatz Bubis und Jan Philipp Reemtsma. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 278 v. 30.11.1998. S. 50.

Von Dohnanyi, Klaus (1998): Schuld oder Schulden. Ignatz Bubis unerhörtes Interview. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 278 v. 30.11.1998.

Von Dohnanyi, Klaus (1998): Wir sind verletzbar. Dohnanyi antwortet Bubis. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 17.11.1998.

Von Weizsäcker, Richard (1998): Der Streit wird gefährlich. Mußte Walser provozieren? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.11.1998.

Walser, Martin (1998): Die Banalität des Guten. Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede aus Anlaß der Verleihung des Friedenspreises der Deutschen Buchhandels. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 236 v. 12.10.1998. S. 15.

Walser, Martin (1998): Wovon zeugt die Schande, wenn nicht von Verbrechen. Das Gewissen ist die innere Einsamkeit mit sich: Ein Zwischenruf. In: Von Dohnanyi, Klaus (1998): Eine Friedensrede. Martin Walsers notwendige Klage. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 277 v. 28.11.1998. S. 35

Walser, Martin: „Die Reaktion von Bubis hat mich entsetzt“. Interview in: Der Tagesspiegel v. 25.10.98.

Wiegel, Gerd (1999): Eine Rede und ihre Folgen. Die Debatte zur Walser-Rede. In: Klotz, Johannes / Wiegel, Gerd (Hrsg.): Geistige Brandstiftung? Die Walser-Bubis-Debatte. Köln. S. 17-64.

Wiesel, Elie (1998): Ohne Schande. Offener Brief an Martin Walser. In: DIE ZEIT v.10.12.1998.

Zuckermann, Moshe (1998): Von Erinnerungsnot und Ideologie. Warum Martin Walsers Rede keine Brandstiftung ist, sondern nur Ausdruck des Zeitgeistes. In: Der Tagesspiegel v. 28.11.1998.

VI. 4. Zu Antisemitismus, Nationalismus und Nazismus, zu Autoritarismus im Osten und zum ‚Neuen Deutschland‘

Adorno, Theodor W. (1973): Studien zum autoritären Charakter. Frankfurt am Main, S. 40-60.

Adorno, Theodor W. und Horkheimer, Max (1975): Vorurteil und Charakter. In: Adorno, Theodor W.: Gesammelte Schriften Bd. 9.2. Frankfurt am Main, S. 360-373.

Aly, Götz (1997): Macht, Geist, Wahn. Kontinuitäten deutschen Denkens. Berlin.

Bittermann, Klaus (1998): Hauptsache deutsch. In: konkret, Heft 9 v. September 1998. S. 44.

Bommarius, Christian (1999): „Oh, das ist ja LTI-Sprache“. Bernd Rabehl, ehemaliger Studentenrebell und heute Soziologie-Professor, verteidigt vor früheren Genossen seinen Rückzug in die nationale Nische. In: Berliner Zeitung vom 08.03.1999. S. 3.

Bozic, Ivo (1999): Ostalgie führt zu Rassismus. Die Opfermasche der Ostler ist nicht nur wehleidig, sondern auch gefährlich. In: Jungle World Nr. 13 v. 24.03.1999. S. 6.

Brombacher, Ellen (1998): Wie national muß die Linke sein? Abzulehnen ist alles Völkische. In: Neues Deutschland v. 31.07.1998. S. 14.

diverse (1998): Wie national muß die Linke sein? Debattenbeiträge in: Neues Deutschland v. 07.08.1998, 14.08.1998, 21.08.1998 und 27.08.1998. Jeweils S. 14-15.

Elsässer, Jürgen (1992): Antisemitismus. Das alte Gesicht des neuen Deutschland. Berlin.

Elsässer, Jürgen (1998): Braunbuch DVU. Eine deutsche Arbeiterpartei und ihre Freunde. Hamburg (konkret Texte 17).

Giordano, Ralph (1990): Die zweite Schuld oder von der Last ein Deutscher zu sein. Hamburg.

Goldhagen, Daniel Jonah (1996): Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust. New York.

Gremliza, Hermann L. (1998): Kommt der Kommunimus wieder? In: konkret Nr. 10 v. Oktober 1998. S. 9.

Hebestädt, Michael (1998): „Wolle mer se reinlasse?“ Autorentausch mit der Fascho-Presse. Wie das neue Deutschland den rot-braunen Dialog inszeniert. In: Jungle World Nr. 34, 19.08.1998. S. 8.

Kohloff, Werner (1999): Die letzte Bastion der DDR. In: Berliner Zeitung Nr. 60 v. 12.03.1999. S. 5.

Marquardt, Angela (1998): Ein Kampf ums Volk. Rechte Stimmen im Neuen Deutschland. In: Jungle World Nr. 32 v. 05.08.1998. S. 23.

Marquardt, Angela (1998): o.T. Interview in konkret, Heft 9 v. September 1998. S. 3.

o.A. (1998): „Rot-braune Debatte“. In: Der Spiegel Nr. 40 1998. S. 64-65.

Oschlies, Renate (1999): Die Grenzen von Gadebusch. In: Berliner Zeitung Nr. 42 v. 19.02.1999. S. 3.

Ptak, Ralf (1999): Die soziale Frage als Politikfeld der extremen Rechten. Zwischen marktwirtschaftlichen Grundsätzen, vormodernem Antikapitalismus und Sozialismus-Demagogie. In: Jens Mecklenburg (Hrsg.): Braune Gefahr. DVU, NPD, REP – Geschichte und Zukunft. Berlin. S. 97-145.

Rensmann, Lars (1998): Kritische Theorie über den Antisemitismus. Berlin und Hamburg. S. 58-90.

Trittin, Jürgen (1998): Vorwort zum Braunbuch DVU. In: Elsässer, Jürgen: Braunbuch DVU. Eine deutsche Arbeiterpartei und ihre Freunde. Hamburg (konkret Texte 17). S. 7-9.

Wagner, Bernd (1998): Rechtsextremismus und kulturelle Subversion in den neuen Ländern. Berlin.

Wagner, Bernd (1999): DVU, NPD, REP in Ostdeutschland. In: Jens Mecklenburg (Hrsg.): Braune Gefahr. DVU, NPD, REP – Geschichte und Zukunft. Berlin. S. 91-96.

Wagner, Bernd (1999): Rechtsextreme Milieus im Osten. In: Jens Mecklenburg (Hrsg.): Braune Gefahr. DVU, NPD, REP – Geschichte und Zukunft. Berlin. S. 238-267.

Wehl, Roland (1998): Wie national muß die Linke sein? Die Nation zur Sache des Volkes machen. In: Neues Deutschland v. 31.07.1998. S. 14.

Wertmüller, Justus (1998): Neues aus Deutschland. Das Neue Deutschland setzt den Kampf um Vok und Nation fort. In: Jungle World Nr. 33 v. 12.08.1998.

VI. 5. Sonstige Literatur

Reumann, Kurt (1994): Journalistische Darstellungsformen. In: Noelle-Neumann, Elisabeth, Schulz, Winfried und Wilke, Jürgen (Hrsg.): Publizistik. Massenkommunikation. Fischer Lexikon, Frankfurt am Main. S. 91 – 116.

Schneider, Beate / Schönbach, Klaus und Stürzebecher, Dieter (1993): Journalisten im vereinigten Deutschland. In: Publizistik, 38. Jg. S. 353-382.

Schütz, Walter J. (1997): Redaktionelle und verlegerische Struktur der deutschen Tagespresse. In: Media Perspektiven, Heft 12 / 1997. S. 685 – 694.