Auf dem Sofa in die Zukunft

Die mediale Entwicklung schreitet ungebrochen voran. Dennoch beklagen Unternehmen nach wie vor einen Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften – da hilft nur Weiterbildung

Von Tobias Jaecker

Die neuen Medien boomen. Internet und CD-Rom sind längst keine exotischen Spielzeuge mehr, sondern werden von Otto Normalverbraucher wie selbstverständlich genutzt. Vor wenigen Jahren noch sah die Welt ganz anders aus, und in naher Zukunft wird der heutige Stand der Technik wohl wieder gnadenlos veraltet sein. Schöne neue Multimediawelt, hätte der rasante Forschritt nicht eine Schwachstelle: Ausgewiesene Fachleute fehlen an allen Ecken und Enden. Studienangebote und Ausbildungsmöglichkeiten halten mit der Entwicklung nicht Schritt.

Weiterbildung heißt hier das Zauberwort. Viele Bildungsträger haben erkannt, dass auf dem Multimedia-Sektor Geschäfte zu machen sind. Entsprechend dicht ist der Angebotsdschungel. „Die Vielzahl an Qualifikationsmöglichkeiten ist verwirrend“, sagt Lutz Goertz, Referent für Weiterbildung beim Deutschen Multimedia Verband (dmmv). Immer noch gebe es unüberschaubar viele Berufsbezeichnungen. „Mittlerweile kristallisieren sich vier Tätigkeitsfelder heraus.“

Zum einen ist da der Bereich der Multimediakonzeption. Hier wird der Entwurf für eine multimediale Anwendung in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden entwickelt. Für die gestalterische Entwicklung und Umsetzung wiederum ist der Multimediadesigner zuständig. Das technische Know-how steuert der Programmierer bei. Und schließlich gibt es das Projektmanagement, das für die gesamte Koordination und Abwicklung der Multimediaproduktion verantwortlich ist und an der Schnittstelle zwischen Kunde und Produktionsteam angesiedelt ist. Wer sich für eine solche Tätigkeit durch Fortbildung qualifizieren will, muss zumindest grundlegendes Vorwissen mitbringen. „Der arbeitslose Landschaftsgärtner kann unmöglich während eines Jahres zum Multimediaspezialisten ausgebildet werden“, so Goertz.

Das Berliner Landesarbeitsamt (LAA) fördert derzeit 35 Weiterbildungsmaßnahmen, die auf einen Multimedia-Job vorbereiten. „Gerade in Berlin gibt es auf diesem Gebiet eine besonders starke Nachfrage“, sagt Konrad Tack, Referatsleiter für berufliche Weiterbildung beim LAA. Diese Nachfrage könne nur durch praxisnahe Weiterbildungsmaßnahmen befriedigt werden. „Wir arbeiten dabei gezielt mit Instituten zusammen, die den Bedarf an Arbeitskräften vernünftig einschätzen können und entsprechend ausbilden“, so Tack. Die Dozenten der Berliner Multimediaakademie „mediadesign“ etwa kommen zum großen Teil aus der Praxis. Zudem arbeiten die Kursteilnehmer an realen Auftragsprojekten. „Eines dieser Projekte war beispielsweise die Erstellung der Jubiläums-Website der Justizvollzugsanstalt Tegel“, sagt Bildungsberater Olaf Behrendt. Neben den herkömmlichen Weiterbildungskursen kann „mediadesign“ mit einer echten Innovation aufwarten: Satellitengestütztem interaktiven Telelearning. Im Klartext: Die Kursteilnehmer bekommen einen PC samt Satellitenempfangsantenne ins Wohnzimmer geliefert und können so täglich den Worten des Dozenten am Bildschirm folgen. Zugleich hat jeder Teilnehmer die Möglichkeit, per Internet mit dem Dozenten zu kommunizieren und sich aktiv in den Unterricht einzumischen. Ausgebildet wird auf diese Weise zum „IT-Manager Neue Medien“.

Auch hinter dem von der Berliner „a & o research“ initiierten Projekt „Cornucopia“ verbirgt sich ein neuartiges Weiterbildungskonzept, wenn auch auf anderer Ebene. Das Projekt erhebt den Anspruch, nicht eine beliebige weitere Multimediaakademie zu sein, sondern das Prinzip der Private-Public-Partnership zu verwirklichen. „Die Teilnehmer absolvieren parallel neben unserer Schulung Praktika in der Multimediabranche“, sagt Brigitte Stieler-Lorenz, Koordinatorin des Projekts. „Die meisten Absolventen werden direkt von den Praktikumsfirmen übernommen.“

So erfolgreich wie „Cornucopia“ muss nicht jede Multimedia-Weiterbildungsmaßnahme enden. „Natürlich gibt es auch schwarze Schafe, die sich an den Multimediatrend anhängen“, sagt Lutz Goertz vom dmmv. Vor allem Selbstzahler, die sich aus eigener Kraft um einen Weiterbildungskurs bemühen, haben derzeit keinen vernünftigen Maßstab zur Beurteilung der Angebote. Das soll sich nun ändern: Anhand von Qualitätskriterien, die der dmmv für die Multimedia-Weiterbildung entwickelt hat, kann sich der Bildungshungrige dann ein garantiert seriöses Angebot aus dem Meer der Verheißungen herausfischen.

Erschienen in: taz, 22.10.1999